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Die Sinagot -
Wiedergeburt eines
Fischerbootes
schlitzohrigen Austernfängern immer wieder,
die Gendarmen zu überlisten, indem illegal
gefischte wilde Austern nicht an Bord geholt,
sondern über den künstlich angelegten und
ganzjährig bewirtschafteten Austernzuchtge-
bieten (parcs à huîtres) fallengelassen wur-
den. Mit den Züchtern wurde dann der Ge-
winn geteilt.
Die Besatzung bestand aus zwei Perso-
nen, dem Fischer, der auch der Besitzer des
Bootes war, und einem Matrosen. Die Frau
des Fischers übernahm den Verkauf des Fan-
ges an Land. Besonders arme Fischer arbei-
teten an Bord zusammen mit ihrer Frau und
lebten ganzjährig auf dem offenen Boot. Ihre
Schlafstätte war der mit Strohsäcken ausge-
legte Vorschiffsstauraum.
Mit der Verbreitung von Schiffsmotoren in
den 1930er und -40er Jahren und der Anlage
großer Austernzuchten im direkten Uferbe-
reich verloren die Sinagots ihren Einsatzbe-
reich und endeten größtenteils als langsam
verrottendes Spantenskelett in einer schlam-
migen Hafenecke. Doch als schließlich in
den 1970er Jahren nur noch ganze zwei Si-
nagots in kaum seetüchtigem Zustand exis-
tierten, bildete sich in Séné der Verein Les
Amis du Sinagot mit dem Ziel, das maritime
Erbe des Golfes nicht verlorengehen zu las-
sen. Sie restaurierten in ihrer Freizeit die bei-
den letzten Boote „Les Trois Frères“ und
„Vainqueur des Jaloux“, sammelten Spenden
auf Bootsausstellungen und Hafenfesten und
finanzierten schließlich den Neubau zweier
weiterer Sinagots, der „Nicolas-Benoit“ und
der „Souvenir“. Weitere Boote zur Wieder-
belebung des traditionellen bretonischen
Holzbootsbaues sind in Auftrag gegeben. Ei-
ne Werft, die sich in diesem Zusammenhang
einen Namen gemacht hat, ist die „Chantier
du Guip“ auf der Ile aux Moines.
An einem Wochenende im August findet
in fast jedem bretonischen Hafen ein Hafen-
fest (Fête de la Mer) statt. In wieder auf-
blühender alter Seefahrtstradition zeigen
sich dann in Port- Anna bei Séné, in Le Bono
bei Auray oder in La Trinité-sur-Mer die alten
und neuen Sinagots einer an maritimer Kul-
tur immer stärker interessierten Öffentlich-
keit.
Gegen 1900 wurde auf dem Golfe du Mor-
bihan während der Fischerei-Saison an man-
chen Tagen mit Hunderten von Sinagots
gleichzeitig gefischt. Heute dagegen gibt es
nur noch vier Exemplare.
Die Sinagot ist ein aus Eichenplanken ge-
bautes offenes Fischerboot, dessen Typbe-
zeichnung sich von seinem Ursprungshafen
Séné, einem Vorort von Vannes, ableitet. Die
offene Rumpfform mit spitzem und recht
flachem Heck (Spitzgatter) ist für bretoni-
sche Boote ungewöhnlich, denn im unge-
schützten Küstenbereich könnte das Boot in
grober See von achtern vollschlagen. Aller-
dings wurde die Sinagot bewusst für den ge-
ringen Seegang im Golfe du Morbihan und
die relativ geschützte Bucht von Quiberon
konstruiert. Es heißt, dass Colbert, Finanzmi-
nister von Louis XIV. , den Bau dieser speziel-
len Boote anordnete, um die Austernfische-
rei im Golfe du Morbihan zu intensivieren.
Genau dieser spezielle Einsatzbereich, die
Schleppfischerei der damals noch sehr zahl-
reichen wildwachsenden Austern in flachen
Gewässern, erforderte ein flaches Heck, ge-
ringen Tiefgang des Rumpfes und eine be-
sonders große Segelfläche, um das über den
Meeresboden schleifende Fanggeschirr auch
bei wenig Wind ziehen zu können.
Die ursprünglich 6,5 bis 8,5 m langen Si-
nagots trugen zwei unverstagte Masten mit
je einem Luggersegel (s. Zeichnung) von ins-
gesamt ca. 50 m² Segelfläche bei 4 bis 6 t
Verdrängung, incl. Steinballast. Als etwa ab
1930 die wilden Austernbestände zurückgin-
gen, wurde die Sinagot vergrößert, um auch
für den Fischfang vor der Küste eingesetzt
werden zu können.
Die Austernfischerei beschränkte sich ab
dem 20. Jh. auf ein bis zwei Monate im Jahr,
um die Bestände zu sichern. Die Fangdiszi-
plin wurde zwar durch Fischerei-Gendarmen
(gardes-pêche) überwacht, doch gelang es
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