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Vermutlich lag der Sinn dieser Cal-
vaires, die fast ausschließlich in länd-
lichen Gegenden zu finden sind, darin,
der bodenständigen Landbevölke-
rung, die zur Blütezeit der Calvaires
eher kirchenverdrossen war oder zu
werden drohte, mit anschaulichen
Darstellungen den katholischen Glau-
ben nahezubringen. Dazu dienten si-
cherlich auch die Darstellungen von
Ankou, dem Tod, der am Beinhaus, oft
auch am Calvaire, als knöcherner Sen-
senmann ständig anwesend ist und je-
dem ins Gedächtnis ruft, wie vergäng-
lich das eigene Leben ist.
Besonders schöne Calvaires findet
man heute in Pleyben, Guimiliau, Plou-
gastel-Daoulas, Plougonven, Saint-Thé-
gonnec und Guéhenno.
Heute sind die Calvaires und die En-
clos Paroissiaux zumindest im Som-
mer Anziehungspunkte für Tausende
von Touristen, gleichzeitig aber im-
mer noch Orte der christlichen Besin-
nung. Rücksichtnahme auf Kirchgän-
ger und Zurückhaltung sollten selbst-
verständlich sein, werden aber leider
oft vermisst.
Die Pracht der Calvaires und Enclos,
die heute oft noch durch die flechten-
und moosbewachsenen Granitsteine
unterstrichen wird, gab Historikern
Rätsel auf, da sie besonders in den
kleinsten Orten extrem auffällig ist.
Die Lösung ist jedoch recht simpel.
Lange Zeit lagen viele Gemeinden im
Wettstreit miteinander, ihren Pfarrbe-
zirk möglichst pompös auszugestal-
ten. Gab es im Ort X ein herrliches Tor,
baute man schleunigst im Nachbarort
Y einen mächtigen Calvaire und so
fort. Besonders schöne Relikte dieser
Wettbewerbe sind noch heute die En-
clos von Saint-Thégonnec, Guimiliau
und Lampaul-Guimiliau. Alle drei Orte
liegen recht nahe beieinander, sodass
die Möglichkeit besteht, sie an einem
Tag zu besuchen. 1999 möglicherwei-
se auch noch länger, werden in etli-
chen Kirchen umfangreiche Renovie-
rungen durchgeführt. Mit großer Si-
cherheit sind dann bestimmte Berei-
che nicht zu besichtigen bzw. einzelne
Kunstwerke werden abgedeckt.
Lampaul-Guimiliau
Ü VIII/B3
Der kleine Ort zwischen Morlaix und
Landerneau war im 16. und 17. Jh. wie
etliche andere Orte der Umgebung
wirtschaftlich von der Leinenverarbei-
tung abhängig. Märkte für ihre Pro-
dukte fanden die Händler vornehmlich
in Südeuropa und in England. Im 18. Jh.
wurde der Handel mit England ge-
sperrt, und viele Orte versanken im
Elend. Die Bürger Lampauls stellten ih-
re Produktion jedoch sehr rasch auf
Gerberei um, sodass dem Wohlstand
kein Abbruch getan wurde. Dieser
Wohlstand drückte sich im Entstehen
eines noch heute vollständig erhalte-
nen Pfarrbezirks aus, der von reichen
Bauern und Händlern initiiert und vom
Adel (u.a. den Familien Cosquer und
de la Salle ) finanziert wurde.
Der Enclos
Der Zugang zum Pfarrbezirk führt
durch ein Triumphtor, das 1668 er-
baut wurde. Die Besonderheit des To-
res besteht in den drei Kreuzen, die
 
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