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Für Mr Sen war die Rollenverteilung in unserem Gespräh klar - er saß in einem
shweren Ledersessel, ih auf einem winzigen Holzshemel. Falls er meine Anwesen-
heit bemerkt hate, ließ er es sih niht anmerken - er hielt in jeder Hand ein
Walkie-Talkie und war damit beshätigt, die Geräte abwehselnd anzushnauzen.
Nah jeder Tirade öfnete sih die Bürotür und ein Mädhen in unterwüriger Hal-
tung betrat den Raum und legte ein Blat Papier auf den Tish oder nahm eines mit.
Mir iel auf, dass auf einem Shrank hinter dem Shreibtish aht weitere Walkie-
Talkies in ihren Ladegeräten saßen. Mr Sen hate den Laden ofensihtlih im Grif.
Wir verstanden uns kaum, zum einen, weil ih zu shleht Khmer und er zu
shleht English sprah, zum anderen, weil auf der anderen Seite der Wand hinter
seinem Shreibtish jemand einen Bohrhammer in den Ziegeln versenkte.
»Ist English Ihre Mutersprahe?«, fragte er.
»Nein, ih bin Deutsher.«
»Haben Sie einen Master of Arts oder ein Bahelor Degree?«
»Nö, tut mir leid.«
»Wie viel Monate Erfahrung als Englishlehrer haben Sie?«
»Keinen einzigen, aber dafür nehme ih keine Drogen.«
Mr. Sen dahte kurz nah. »Gut. Haben Sie morgen früh Zeit?«
Morgens um aht habe ih immer Zeit - wenn ih wah bin. Ih shlug vor, dass
ih vielleiht eine Stunde am Unterriht eines erfahrenen Lehrers teilnehmen kön-
nte, um zu sehen, was man als Lehrer so maht. Mr Sen reagierte mit einer gerun-
zelten Stirn.
»Morgen haben Sie Ihre erste Unterrihtsstunde. Allein.«
Das ist typish hinesish: Planung und Vorbereitung gelten als Zauderei und
Zeitvershwendung. Er shob mir ein Buh mit dem Titel »Cultural Studies, Year 2,
Semester 2« über den Tish. Ih versuhte, mir meine aufsteigende Panik niht an-
merken zu lassen.
Ih brauhte eine Krawate. Auf dem Markt kaute ih mir eine shwarze mit
dünnen rosa Streifen für 1,5 Dollar. Dann ging ih nah Hause, shaltete den Com-
puter ein und suhte »Krawate binden« bei Google. Das letzte Mal, dass ih eine
getragen hate, war während meiner Vereidigung bei der Bundeswehr gewesen -
eine Situation, der ih damals mit ähnlih wenig Vorfreude entgegengeblikt hate
wie nun meiner ersten Unterrihtsstunde.
Am nähsten Tag um aht Uhr morgens hate ih meine erste Stunde. Vor mir
saßen etwa dreißig Shülerinnen und Shüler in mintgrünen Hemden und shwar-
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