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Am nähsten Morgen um neun Uhr beim Anlegen in Göteborg hat man das Ge-
fühl, irgendetwas häte sih in der vergangenen Naht ereignet. Etwas
Entsheidendes wäre geshehen. Und der frühe Bungee-Jumper, der sih ausgereh-
net an diesem Morgen vom riesigen Brükenkran der ehemaligen Eriksberg-Wert
stürzt, trägt niht gerade dazu bei, dieses Gefühl zu widerlegen. Im Gegenteil. Je
stärker man sih zu erinnern suht, desto deutliher wird, dass sih eine dunkle Ah-
nung endgültig bestätigt hate. Seit der vergangenen Naht sind die Zweifel aus-
gelösht: In diesem Leben ist man von Anfang an tot.
Svårmod - die berühmte shwedishe Melanholie. Sehen Sie, welhe Gefahren so
eine Überfahrt birgt?
Wenn die Nahtfähre vom Kieler Kai ablegt, wird in der Lounge gewöhnlih
Baileys oder süßer Likör in kleinen Plastikgläsern ausgeshenkt. Als Begrüßungs-
drink, wie es heißt. Ih glaube eher, es handelt sih um eine sinnvolle Maßnahme,
die verhindern soll, dass der Serotoninspiegel der Passagiere während der Überfahrt
vollkommen in den Keller sakt. Das nützt allerdings wenig, wenn ausgerehnet in
der Viererkabine, in der man selbst einquartiert ist, der einzige andere Gast auf
dieser Geisterfähre liegt und shnarht …
Wer im Sommer übersetzt, brauht nihts dergleihen zu befürhten. Die Stim-
mung ist sonnendurhlutet und leiht. Und für die meisten ist niht Göteborg die
erste Anlaufstation, niht das größte Wertgelände Shwedens, in dem bis in die
Siebzigerjahre Riesentanker gebaut wurden, bevor nah einem Konjunktureinbruh
aufgrund der Ölkrise die Werten stillgelegt werden mussten.
Die erste Anlaufstation sommerliher Urlaubsreisender ist häuig Trelleborg.
Aber kaum jemand wird in Trelleborg bleiben. Der Hafen ist klein. Die Stadt ist
klein und übersihtlih in Beton gegossen. Der Hafen ist ein uader aus Beton. Der
Strand am Stadtrand ist hässlih, ein shmaler Streifen Sand, durhbrohen von
hartem Dünengras. Als ih in Trelleborg zum ersten Mal shwedishen Boden be-
trat, wurde ih von einer hetigen Entäushung gepakt. Spätestens auf dem Markt-
platz entpuppte sih das Märhenland, nah dem sih auh Claudia Rush in ihrem
Buh »Meine Freie Deutshe Jugend« noh sehnt, als Kleinstadt mit ruhigen
Straßen und einem Zentrum, das man in fünf Minuten durhquert hat. Imposant
waren nur die sih türmenden Wolken am Horizont.
Ih nahm zuerst an, meine Sehnsuht müsse so groß gewesen sein, dass sie die
Stadt einfah weggespült hate.
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