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er langen Straße, wo im Winter nur neunzehn Menshen lebten. Aber jetzt war
Sommer. Jetzt war es Zeit, die Regenjake ofen zu tragen über der Brust. Jetzt war
die Lagune im Delta warm genug, um an sonnigen Tagen kurz ins lahe, vershilte
Wasser zu tauhen. Jetzt kamen Fremde, sogar Frauen. Und Frauen sind hier abso-
lut rar. Die meisten Bewohner der abgelegenen Höfe sind Männer. Jetzt galt es also,
halbstündige Freundshaten zu shließen, sih shnell zu erinnern, wie das ging mit
dem Flirten, oder wenigstens ein paar Dinge zu erfahren, die man während der
übrigen neun Monate des Jahres im Kopf hin und her bewegen konnte, in denen das
Delta vereist und die fahle Relexion des Shnees die einzige natürlihe Lihtquelle
war, in denen der Wasserfall bis auf wenige Löher zufror, auf dem dann Otern
saßen. Jetzt trieb Björn uns und sein Boot in urwaldartige Deltaarme hinein. Die
Müken auf Wange und Stirn registrierte er niht. Er shien auh nihts von Mük-
enshlägern zu halten, einer Art elektrisher Fliegenklatshe, auf der die Stehmük-
en verrösten und die in Nordshweden gern als Partygag zum Einsatz kommt. Wir
zogen dunkle Moskitonetze auf. Als ih vorsihtig darauf hinwies, dass wir noh
eine kleine Wanderung vorhäten und gern vor Miternaht zurük wären, sah er
mih an. »Ihr mögt keine Natur, was?«, sagte er lauernd. »Euh gefällt das Delta
niht.«
Wir sprahen English. »Doh. Wir haben nur niht so viel Zeit.« Da stellte Björn
seinen Motor ab und ließ uns treiben. Und wieder saßen wir in einer Sakgasse. Die
einzige Beruhigung: Mein Handy hate auh in der tiefsten Wildnis Empfang.
»Stress, ja«, sagte er. »Für Natur brauht man aber Geduld. Die Samen lehren
uns das, und die lernen das von der Natur. Ihr als Touristen kommt her mit eurer
Ungeduld und habt gleih für alles ein Wort, einen Begrif, und shon rast ihr weit-
er. Die Samen, die haben kein Wort für, sagen wir, ungeheuerlihe Abendstimmung,
aber die Natur, die tragen sie in sih, die haben sie in ihren Joiks.«
Da mir das deutshe Wort für ungeheuerlihe Abendstimmung jetzt auh niht
auf Anhieb einiel, hielt sih mein Bedauern über die sprahlihen Sakgassen der
Samen in Grenzen, und ih fragte Björn, was ein Joik sei.
»Ein Gesang«, sagte er. »Aber niht zur Unterhaltung, sondern als Möglihkeit,
einem Menshen, einem Baum, einem Tier, dem Wind oder auh den Toten na-
hezukommen.«
»Und was joiken sie so über die Bäume?«
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