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Die wandernde Stadt
Über jenseits von Gut und Böse hing eine Wolkendeke. Regen sprühte über die
kleinwühsigen Kiefern und ließ die Birkenstämme weiß gesheuert aussehen. Im
Hintergrund überragte ein shwarzer Berg terrassenförmig die eiserne Stadt. Die
Eisenerzmine prägt das Leben in Kiruna, eine jener Kleinstädte, die in einem ander-
en Kapitel ausführlih besprohen werden. Allerdings hat die nördlihste shwedis-
he Stadt eine ehte Skyline; mehrere Hohhäuser ragen aus der Tundralandshat
auf. Die Ausstrahlung Kirunas entspriht in etwa der von Duisburg, und beide ver-
sammeln interessanterweise ja auh ähnlihe Vokale, mit dem Untershied, dass die
lappishe Bergarbeitersiedlung übershaubarer ist, jedenfalls oberhalb der Erdober-
lähe. Unter Tage ist Kiruna wahrsheinlih wirklih die größte Stadt Shwedens.
Die Einwohner prahlen mit den 20 000 uadratkilometern, innerhalb deren sih die
Gemeinde überirdish erstrekt, bis hin zum letzten kleinen Gehöt, das abgelegen
in der Pampa steht. Als wir vom Flughafen aus in die Stadt über Tage hineinfuhren,
waren nur ein ekiger Förderturm, ein abgepumpter See, Shienenstränge und
Bahnwaggons zu sehen, die wie zusammengefegt auf einem großen Platz vor der
Grubeneinfahrt standen. Es gab ein altes Bahnhofshotel, einen Campingplatz, eine
Apotheke und ein Naherholungszentrum. Auf dem Marktplatz kündigten Plakate
die Rokgruppen fürs Sommerfestival an. Die Gebäude strahlten einen herben
Charme aus, der daran erinnerte, dass Kirunas Karriere als Goldgräberstadt be-
gonnen hate. Seither war planlos angebaut worden. Shneebobpisten und Langlau-
loipen shlängelten sih dahinter durh die Birken. Jetzt, im Juni, waren sie bloß
Shoterpisten.
Unter Tage fäherte sih ein Straßennetz von 400 Kilometern auf mehreren Eben-
en auf, das Büros, Cafés, ein Museum und ein Kino miteinander verband. Das
ewige Dunkel im Berg shien das dunkle Winterhalbjahr über Tage zu spiegeln. Hi-
er liegt das größte zusammenhängende Eisenerzvorkommen der Welt. Eine riesige
Erzplate ragt anderthalb Kilometer tief in die Erde hinein und shräg unters
Stadtzentrum. Bis in tausend Meter Tiefe hat LKAB, das größte europäishe Erzun-
ternehmen, die Erzader shon angebohrt. Durh weitere Sprengungen droht der
darüberliegende Ort abzusaken. In den nähsten zehn Jahren, so die Prognosen,
muss die Stadt umgesetzt werden. Langlauloipen, Markt und die Kirhe aus
dunklem, geshupptem Holz, die einer lappenkohte, einem samishen Tipi, na-
hempfunden wurde, sollen auf Lastshlepper verladen und einige Kilometer weiter
östlih erneut aufgebaut werden. Außerdem sollen ein neuer Bahnhof, ein Rathaus,
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