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Das Herrbad, die Männerabteilung der Badeanstalt, ist lila gestrihen, das Dam-
bad lindgrün. Im ziternden Shaten der Kiefer vor dem Ausgang zum Meer sam-
meln sih die Geräushe; helle Stimmen, das ferne Shlagen des Wassers, das Trap-
pen nakter Füße auf Holz, ein Ball, der gegen eine Bootswand prallt.
In beiden Bädern sind die Menshen nakt. Nur die Teenager tragen Bade-
bekleidung, als könnten sie auf diese Weise erwahsener wirken, während die ausge-
wahsenen diken, die alten, die trokenen und shrumpeligen Häute bedenkenlos
zu Markte getragen werden; die Ältesten der Badenden sind die naktesten.
Bis in die Zwanzigerjahre hinein badete man niht nur getrennt, wie überall ord-
nete man auh hier die Intelligenz und den freien Zugang zur Bildung einer bestim-
mten Ausprägung der Genitalien zu; Gymnasialbildung für Mädhen beispielsweise
kostete die Eltern Geld, Jungen dagegen bekamen sie umsonst. Häte es die
shwahe Geburtenrate und die große Überalterung der Gesellshat in der Zeit um
die vorletzte Jahrhundertwende niht gegeben, wäre es fraglih, ob der zweite
wihtige Herzshritmaher des shwedishen Bewusstseins, Carl Jonas Love Almqv-
ist, als solher überhaupt zum Einsatz gekommen wäre. So jedoh dürte seine he-
orie der romantishen Liebe die Shweden in ihrer relativ entspannten Haltung ge-
genüber den emanzipatorishen Neuerungen im vormals rükshritlihen Land un-
terstützt haben.
Almqvist hielt bereits 1839 autonome Beziehungen innerhalb einer Familie für
die Voraussetzung von Liebe; eine Vorstellung, die bei uns bis heute zu Weltunter-
gangsprognosen oder Spot führt. Oder was häten Politiker auf deutshen Bühnen
zu einem hustrulön gesagt, einem Einkommen, das Hausfrauen in den Sehziger-
jahren von ihren Männern für ihre Arbeit zu Hause verlangen konnten, um inanzi-
ell unabhängig zu sein und gleih viel wert? Der hustrulön hielt sih so lange, bis
genug Frauen Arbeit haten und die Hausfrau nur noh eine exotishe Rander-
sheinung war (woraufhin sih wiederum die übrig gebliebenen Hausfrauen ben-
ahteiligt fühlten, woran man sieht, dass es selten eine Wirkung ohne Nebenwirkun-
gen gibt). Und wären deutshe Politiker jemals auf die Idee gekommen, sih zu fra-
gen, ob die EU eine Falle für berufstätige Frauen sein könnte? In Shweden wurde
diese Frage vor dem EU-Beitrit lebhat diskutiert. Aber hier ließ sih auh nahtlos
an Almqvist und die ersten emanzipatorishen Regungen der Zwanziger anknüpfen,
während die 68er- und die Frauenbewegung in Westdeutshland wieder bei null an-
fangen mussten, nahdem der Fashismus alle Verbindungen gekappt hate und
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