Travel Reference
In-Depth Information
»Zu dem riesigen ›Haus der Musik‹ ließt ein so dihter und endloser Strom von
Automobilen, dass unser Fahrer, ein junger Gigant mit zotiger Fellmütze, nur mit
äußerster Mühe vorwärtskommt: Uns retet nur die Polizei, die beim Anblik des
Cortège der Preisträger, die in solhen Fällen immer einer hinter dem anderen
fahren, den gesamten Verkehr zum Stehen bringt«, shrieb der russishe Shritstell-
er Iwan Bunin über seine Erlebnisse, als er 1933 den Nobelpreis erhielt. Der Saal sei
»wahrhat erstaunlih durh seine Höhe und Weite … Hunderte von Abendkleidern,
geshmükt mit Perlen und Brillanten. Hunderte von Fräken, Ordenssternen,
Orden … Zehn Minuten vor fünf ersheinen das gesamte shwedishe Minister-
kabinet, das Diplomatishe Corps, die Shwedishe Akademie, die Mitglieder des
Nobelpreiskomitees. Punkt fünf verkünden die Fanfaren das Eintrefen des Mon-
arhen … Gewöhnlih shmüken die Bühne die Fahnen der Länder, aus denen die
Preisträger kommen, aber welhe Fahne gehört zu mir, dem Emigranten? Die Un-
möglihkeit, mir zu Ehren die sowjetishe Fahne zu hissen, brahte die Veranstalter
auf die Idee, sih meinetwegen auf eine einzige Fahne zu beshränken, die shwedis-
he. Ein wahrhat vornehmer Gedanke«, heißt es in »Nobelpreis-Tage«.
An jenem gewöhnlihen Vormitag fällt mir vor dem Konzerthaus ein Grüpphen
von vier Männern auf. Zwei der Männer sind nur spärlih bekleidet. Sie posieren
eng beieinander; ein sehniger Tänzertyp, der lüstern auf der Shulter eines shwar-
zhäutigen, feurigen Matadors lehnt, als wolle er mit den Lippen an dessen Ohrläp-
phen zuppeln. Vor ihnen stehen zwei der Jahreszeit entsprehend gekleidete junge
Väter. Sie sind jeder mit einem doppelsitzigen Kinderwagen ausgerüstet, beißen in
grüne Äpfel und plaudern. Bei den zurükhaltend Bekleideten handelt es sih um
eine überlebensgroße Werbung von Dolce & Gabbana, bei den beiden mit Kinder-
wagen um eine lebendige Werbung für shwedishe Familienpolitik. Es mag Zufall
sein, dass sih mir dieses Bild ausgerehnet hier autut, in jenem Viertel, das so
deutlih in den Zwanzigerjahren wurzelt. Mir sheint es passend. Die Zwanziger-
und Dreißigerjahre sind die Wurzel der shwedishen Gesellshat in ihrer heutigen
Ausprägung.
Glückliche Väter, arbeitende Mütter
Nah diesem Erwekungserlebnis sah ih nur noh Männer mit Kinderwagen. Sie
saßen lesend im Park, während das Kind shlief oder spielte. Sie standen in Grup-
pen an Springbrunnen, sie shlenderten mit den Kinderwagen am Ufer entlang, sie
Search WWH ::




Custom Search