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Die Viruta ist für alle da, die Alten und die Jungen, die Diken und die Dünnen,
die Eleganten und die Tapsigen. Eine Mitzwanzigerin, über den knakigen Shorts
ein bauhfreies Top, tanzt mit einem Mitsiebziger in Anzug und Krawate. Eine
Mitfünfzigerin, shwarzes Kleid, langer Shlitz, rükenfrei, tanzt mit einem Ziegen-
barträger im Boca-Trikot. Daneben ein britishes Traveller-Pärhen. Sie zeigt ihm,
wie er zu führen hat, er gibt sih Mühe. Ein alter Hagestolz, Anzug, Pomade, das
volle Programm eben, hält Ausshau. Auf ihn wird kein altes Eheweib daheim warten
wie auf Juan Domingo, er hat sih herausgeputzt. Die einen deuten nur an, dezent,
hier mal eine Aht, dort mal eine Drehung. Die anderen wiegen, wirbeln, beugen ein-
ander, brillieren mit ihren Cortes und uebradas, Barridas und Cunitas und wie die
Shrite alle heißen.
Horacio Godoy organisiert die Milonga in der Viruta, seit 1994 , immer mitwohs
bis sonntags. Die ganze Naht lang steht er mal am DJ -Pult, mal am Bierausshank.
Mal drükt ihm einer, der von sih sagt, er habe ein ziemlih gutes Bandeon-Sextet
aufgemaht, eine Demo- CD in die Hand, mal will ihm einer eine Anstellung als Tan-
golehrer abshwatzen. Godoy hört allen aufmerksam zu, kümmert sih um alles -
aber man merkt ihm an: Eigentlih jukt es ihn in den Beinen, eigentlih würde er
am liebsten selbst auf der Tanzlähe stehen. Er singt ein paar Takte mit, shaut ein-
er sehr shönen Tänzerin bei ein paar Drehungen sehr aufmerksam auf den Hintern.
Dann will wieder irgendwer irgendwas von ihm.
Wie kommt es, Horacio, dass der Tango wieder so lebendig ist in Buenos Aires?
Sind das nur die Touristen, die nah der Wirtshatskrise 2001 zuhauf ins Sh-
näpphenland Argentinien kamen und damit den Tango wiederbelebten, sozusagen
als Exportindustrie? Und warum, Horacio, lernen die Enkel den Tango von den
Großmüttern und -vätern, und niht von den Eltern?
Stimmt shon, sagt Horacio, er selbst, Jahrgang 1964 , habe den Tango zu Hause
niht vorgelebt bekommen. »In den Fünfzigerjahren kamen das Fernsehen, der
Rok 'n' Roll, die Beatles - Tango war da ein reines Opa-Ding, dafür hat sih die
Generation meiner Eltern nie wirklih interessiert. Erst in den Ahtzigern, nah dem
Ende der Diktatur, als eine Welle von Sheidungen über das Land rollte - da waren
plötzlih ganz viele Menshen wieder auf dem Markt. Sie wollten ausgehen und tan-
zen, und so entdekten sie den Tango wieder für sih. »Na ja, und im Kino hat man
eben niht das volle Panorama wie bei einer Milonga«, sagt Horacio und grinst mit
einem Seitenblik auf die shöne Tänzerin von eben.
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