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Denn das Bandoneon ist in Gefahr. Und mit ihm der Tango überhaupt, shließlih
ist das Instrument die Seele des Tangos. Wer nur sein seufzendes Shnaufen hört,
seine brutalen, wuhtigen Bässe und die zarten, zerbrehlihen Fiepstöne in den
Höhen, das Klakern der Knöpfe und das Lutholen des Blasebalgs, der weiß nah
einem halben Takt: Aha, Bandoneon, Tango. Der Tango für die Füße, aber auh der
für die Ohren - ohne den fueye, den »Blasebalg«, wie die Argentinier liebkosend
sagen, niht zu denken.
Es ist wohl die einzige Sahe, für die die Argentinier den Deutshen rihtig dank-
bar sind: Heinrih Band, ein Musikalienhändler aus Krefeld, suht um 1840 herum
nah einem Instrument für sein Stadtorhester. Die bislang üblihe Konzertina gibt
ihm zu wenig her, 54 Töne sind ihm zu wenig. Er frisiert sie um, nennt seine Weiter-
entwiklung »Bandoneón« und verpasst ihm erst 106 , dann 130 Töne (heute ist es mit
144 bekannt). Vor allem aber kann das Bandoneon Moll-akkorde spielen, es spriht
damit die Sprahe der Klage, des Shmerzes und der Melanholie - sonst häte es
seinen Platz im Tango niht gefunden.
Man muss niht Noten lesen können oder die Klaviertastatur beherrshen wie
später beim Akkordeon, und so wird Bands Erindung das Instrument der Arbeit-
ervereine. Das Klavier des kleinen Mannes, die Orgel für unterwegs. Die Seeleute
haben es an Bord, die Einwanderer haben es im Gepäk, so indet das Bandoneon
Anfang des 20 . Jahrhunderts seinen Weg an den Río de la Plata.
Mit seiner komplizierten Tastenanordnung nah Druk und Zug ist es niht ganz
einfah zu lernen. Bis heute tauht alle paar Jahre ein neuer Guru auf, der erklärt,
er habe das ultimative Tastensystem erfunden, mit dem jedes Kleinkind nah drei
Minuten »Hänshen Klein« spielen könne. Doh die Legende, dass der Tango so lang-
sam sei, weil man auf Bandoneons immer erst nah den rihtigen Tasten suhen
müsse, haben Generationen von Virtuosen inzwishen längst widerlegt.
In Argentinien jedenfalls, und damit kommen wir zu Oscar Fishers Problem, wird
das Bandoneon nie gefertigt, es bleibt ein Importprodukt. Fünfzig- bis sehzigtausend
Instrumente, shätzt man, werden wohl im Lauf der Jahrzehnte nah Argentinien
vershift worden sein. Die Europäer tun sih leihter mit dem Akkordeon, mit seinen
Klaviertasten und mit seinem edleren, reineren Ton. Der Tango hingegen hängt sein
Herz an dieses shnaufende Ding mit den vielen klakernden Knöpfen. Vor allem
die » AA «-Modelle, die »Doble-As« der Firma Arnold aus dem sähsishen Vogt-
land, sind in aller Welt gefragt. Holz, Leder, Perlmut: Es sind Materialien für die
Ewigkeit, aus denen dort Instrumente gefertigt werden, über 600 Stük pro Monat.
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