Travel Reference
In-Depth Information
Knopf seines Gilets festband, um nun die Uhr in die rechte Gilettasche zu stecken. Aufgrund des oft-
maligen Herausnehmens - in Abständen von etwa zehn Minuten - und baldigen Wiederzurücksteckens
der Uhr war diese rechte Westentasche mittlerweile schon sehr abgenützt und abgeschabt und am Ta-
schenaußenrand waren kleine Stofffransen zu sehen.
Das Gemurmel und die Ungeduld unter den Wartenden wurden immer vernehmlicher. Womöglich hatte
der Schickler-Ferdl ja recht, und es war wirklich etwas passiert. Die Sonne begann sich müde am Him-
mel zu neigen.
Da war es endlich so weit. Man konnte den kleinen Wagen schon hören, als er, von Gettsdorf her, über
die nicht weit entfernte kleine Schmidabrücke beim Marterl mit der Pietà fuhr. Alle Bauern, Mägde,
Burschen und Kinder gerieten in aufgeregte Verzückung, und als das kleine französische Auto mit den
weißen Bändern anderAntenne, die nach derlangen Fahrt nunschonschmutzig grauundleicht zerfetzt
waren, bald darauf in die Einfahrt zum Haus des Schwiegervaters einbog, klatschten alle Beifall und
schrien „Bravo, Bravo“, als würde da ein Prinz mit seiner Prinzessin von der Hochzeitsreise zurückkeh-
ren. Die Prantnertochter, die jetzt Monika Gedesberger hieß, lachte herzerfrischend und winkte beinahe
gnadenvoll aus dem kleinen Autofenster.
Es war wieder ein bemerkenswerter Tag in unserem kleinen Hundertseelendorf gewesen.
Sie schlugen mich mit Birkengerten
Während der Schulferien war auch Frau Miskowitsch wieder mit ihrem Sohn Heinz auf Sommerfrische
inunserDorfgekommen.DieGroßmuttervonEmma,meinemliebstenMädchen,diealteFrauEdlinger,
die immer wollte, dass ihre Enkelin nur mit Mädchen spielte, war über verschiedene Ecken mit ihr ver-
wandt. Mit Heinz Miskowitsch, zirka drei Jahre älter als ich, verbrachte ich in diesen Sommerzeiten,
wann immer Gelegenheit war, viel Zeit zusammen. Er ließ sich stets etwas Neues einfallen. Die Frösche
und Kröten der Schmida aufzublasen, bis sie platzten, in das Auspuffrohr des Motorrollers der Pfar-
rersköchin Papierknödel zu stopfen, in spezieller Verkleidung den alten Sandiger zu erschrecken oder
heimlich im Hof vom Schickler-Ferdl die Tür des Schweinestalls zu öffnen, um alle Schweine auf die
autobefahreneStraßelaufenzulassen -dasalleswarenIdeenvonihm,diewirmitkindlichemEiferund
hingebungsvoller Begeisterung ausführten.
Sein Cousin, der etwas spröde und langweilige Herbert aus Sankt Pölten, kam dieses Jahr zur gleichen
Zeit wie Heinz seine entfernte Großtante besuchen. Es dämmerte schon, als Frau Miskowitsch und die
Mutter von Herbert vom Waldspaziergang nach Hause kamen.
Aus dem in der Kuhstallecke liegenden Reisigbesen zog ich drei Gerten, um damit Linien in den sandi-
gen Boden neben der Straße zu zeichnen. Ich hielt die Gerten, als würde ich eine Schubkarre schieben,
gesenkt vormich hinundfuhrdamit die Spurdervormir spazierenden Damen mit denmodernen Stadt-
schuhen nach, fuhr ihnen mit meinen Reisiggerten dabei auch immer wieder zwischen die Füße. Wäh-
rend die elastischen Gerten Furchen in den sandigen Weg zogen, ließen sie Sandkörner auf die Beine
und in die Schuhe der Frauen spritzen. Ihrem wiederholten Bitten, meine Schelmereien doch zu unter-
Search WWH ::




Custom Search