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Tieren Futter gab, vergaß sie nie, auch später nicht, ebenso für die verschreckte graue Katze Mirl einen
Napf mit Essensresten hinzustellen.
AusderFernekonnteichnunschondenKirchturmvonRohrendorfsehen,daskurzvorKremsliegt.Als
wir in Krems eintrafen, erwartete uns Tante Mitzi bereits am Steiner Tor am Südtirolerplatz. An ihrem
Haus angekommen, ging es durch ein großes Tor über holperiges Kopfsteinpflaster in den Hof. Stiefva-
ter stellte die Pferde in einen Schuppen, legte ihnen das mitgebrachte Heu auf den Boden, hängte ihnen
den Hafer in Jutesäcken um den Hals und schleppte Kübel mit Wasser heran, das die Pferde in langen,
kräftigen Zügen tranken. Mit jeder Handvoll Heu und mit vielen lieben Worten bedankte er sich bei den
Pferdendafür,dasssiedielangeFahrtsoguthintersichgebrachthatten,ertätschelte undstreichelte sie.
Ich konnte mich nur wieder wundern, wieso er zu den Pferden so gut und fürsorglich sein konnte.
BeiderTanteimHauswurdeEssenzubereitet:gebrateneWurstscheibenmitErdäpfelpüree.Ichbrauchte
nur diesen Geruch in die Nase zu bekommen, und sofort wurde aus jedem Tag, egal wie schlecht er be-
gonnenhabenmochte,einschöner,glückseliger Tag.SoeingutesEssenwiediegebratenenWurstschei-
ben bei Tante Mitzi war eine Besonderheit für mich. Bei uns zu Hause stand meist nur ein Blechtopf mit
Erdäpfelpüree -ohneWurst -aufdemweißlackiertenKüchentischmitdergrüngesprenkeltenResopal-
platte, die an vielen Stellen, besonders an den Ecken und Rändern, abgeschabt und angestoßen war. Wir
nahmen dann jeder einen Löffel und löffelten das Püree gemeinsam aus dem Topf, bis er leer war. Wenn
mein Stiefvater gute Laune hatte, erzählte er bei dieser Gelegenheit, wie er bei seinem Küchendienst im
Krieg rohe Erdäpfel in dünne Scheiben geschnitten und diese dann im jeweils gerade verfügbaren Fett,
das er bei den umliegenden Bauernhöfen erbettelte, zu Erdäpfelsterz gebraten hatte.
WurstgabesbeiunszuHausenuretwaeinmalimMonat.EineKostbarkeit.UmdieseKöstlichkeit kau-
fen zu können, zwackte meine Mutter gelegentlich etwas von dem wenigen vorhandenen Geld ab und
versteckte ein paar Schilling im Wäschekasten unter den karierten oder gestreiften dicken Flanellhem-
den.Wennsiegenügendbeisammenhatte,gingsiezumFleischhauerSpeidlerinZiersdorf,umeinehal-
be Stange Braunschweiger Wurst zu kaufen. Meist war das etwa einmal im Monat der Fall.
Der Fahrt zum Fleischhauer habe ich schon Tage vorher entgegengefiebert. Fleischhauer Speidler, der
abends oft mit seinem chromblitzenden neuen Borgward aus Ziersdorf in unser Hundertseelendorf ge-
fahren kam, um mit der Frage „Haben wir was?“ von Haus zu Haus zu gehen und nach schlachtreifen
Sauen zu suchen, hatte, anders als bei seinen Dorfbesuchen im Luxuswagen, wo er immer elegant ge-
kleidetwarundKnickerbockersowieblankgeputzteLederstiefeltrug,inseinerFleischhauereistetseine
mit Blut befleckte weiße Schürze um den Bauch gebunden und in seinem grauen, kurz gestutzten Ober-
lippenbart hing oft ein kleiner Rest vongelblichem Rinder-oder Schweinefett. Voreiner weiß gekachel-
ten Wand stehend, an der ganze geräucherte Schinken hingen, die mit roten Bändchen oder einfachen
Schnüren an Eisenhaken befestigt und mit bräunlichen, an den Löchern für die Bändchen oder Schnüre
mit runden dunkelbraunen Verstärkungsringen versehenen Preisschildern etikettiert waren, zerteilte er
mit einem scharfen Beil und wuchtigen Hieben ein langes Rippenstück vom Schwein, und während er
die bereits abgehackten Koteletts mit seinen blutverschmierten fettigen Händen auf die in der Glasvitri-
ne liegenden flachen, viereckigen Porzellanschüsseln legte, fragte er meine Mutter, was sie denn wün-
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