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IndiesemaltenTraditionshotelwarenauchsämtlicheHonoratiorenderStadtständigzuGast.HerrBrun-
ner begrüßte jeden Gast persönlich. Verbeugte sich vor ihm, brachte zum Ausdruck, wie sehr er über
denBesucherfreutsei,strichsichmitbeidenHändenüberseinsilbrigesHaarundlachte,dasssichseine
runden, mit Lebersternchen übersäten Wangen zu kleinen Kissen aufblähten. Wenn jemand fragte, wie
es denn seinem fünfjährigen Sohn ginge, fing der fünfundsechzigjährige Mann vor Freude zu zappeln,
beinahe zu hüpfen an und rief laut: „Karli, Karli, komm und sag schön Guten Tag.“ Mit vor lauter Va-
terstolz geblähter Brust erzählte Herr Brunner dann, dass sein Sohn vorzeitig eingeschult worden war,
weil er halt ein besonders intelligentes Kind sei. Ich freute mich mit ihm, schon weil Herr Brunner mich
manchmal ebenso gut behandelte wie seinen Sohn, so dass ich mich fast fühlte, als gehöre auch ich zur
Familie Brunner. So einen Vater hätte ich gerne gehabt.
ZumerstenMalinmeinemLebenbemerkteichnun,dasspermanenteGeldnotundeinungerechterStief-
vater nicht das einzige Übel auf der Welt sind, sondern sich immer und überall, in jeder Lebenslage und
auf jedem Lebensniveau, reichlich Übel finden lassen. Wenn die Familie von Dr. Krabner, dem angese-
hensten Arzt der Stadt, zu fünft kam, gab es jedes Mal Streit mit der verwöhnten Tochter, weil sie unter
derohnehinreichhaltigenundvorzüglichenAuswahlaufderSpeisekarteniedasRichtigefindenkonnte.
Wie glücklich war ich als Kind gewesen, wenn meine Mutter faschierte Laibchen aus Gerste machte -
ein Rezept, das sie sich während des Krieges ausgedacht hatte - und ein wenig Schweinefleisch darun-
termischte.IndieserZeitinKrems,inmeinemsechzehntenLebensjahr,habeichdieErfahrunggemacht,
dass Wohlstand und eine sogenannte „glückliche Kindheit“ nicht das Universalrezept für ewige Zufrie-
denheit sind. Diese Erfahrung habe ich beherzigt und die daraus gezogene Lehre bis zum heutigen Tag
nicht vergessen.
Eine Liebe, ehe sie begann, schon wieder zu Ende
WennichamVormittagnachdemFrühstücksservicedenoberenArkadengangdesRenaissancehofesmit
BesenundSchaufelkehrteundsäuberte,sahichdieStubenmädcheninihrenweißenKittelnundweißen
Hauben mit schnellen Schritten von einem Zimmer zum nächsten hin und her gehen, voll bepackt mit
Handtüchern, frischer Bettwäsche, geputzten Wasserkrügen und allerlei Gerätschaften. Magdalena, ein
Mädchen mit kurzem, dunklem, in der Sonne kupfern schimmerndem Haar aus Schwaz in Tirol, das in
Innsbruck Medizin studierte und in den Semesterferien nach Krems gekommen war, um als Zimmer-
mädchen ein wenig Geld zu verdienen, fiel mir gleich am Tag ihres Arbeitsbeginns auf. Es dauerte nur
kurze Zeit und ich begann mich mit dem etwa sechs Jahre älteren Mädchen zu befreunden. Ihre etwas
stämmige Figur erinnerte mich an Emma, meine erste Liebe in dem etwa dreißig Kilometer entfernten
kleinen, langgestreckten Hundertseelendorf meiner Kindertage.
Immerwennesmirgelang,MagdalenasWegzukreuzen,fragteichsieumRat,wieichdiesesoderjenes
wohl am besten von Staub befreien oder sonst wie reinigen könnte. Ich war mir nie sicher, ob sie die
banalen Fragen als den bloßen Vorwand erkannte, der sie waren, oder ob sie mir meine vorgegebene
Ungeschicklichkeittatsächlichabnahm.KeinenochsodümmlichscheinendeMöglichkeitdeszufälligen
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