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unionistischen Einheit im Kampf gegen die IRA und Besitzer riesiger Landgüter in Colebrook,
trug auch viel zur weiteren Entfremdung der Konfessionen bei. Er rief die protestantischen
Gutsbesitzer auf, alle katholischen Arbeiter zu entlassen, und ging selbst mit schlechtem Beispiel
voran.
Überdies ließ er sich vom britischen Premierminister Attlee zusichern, dass dieser ohne
Zustimmung Ulsters nichts am konstitutionellen Status der Union verändern werde. Man
untermauerte diese Garantie per Gesetz (Ireland Act von 1949) und betrachtete sie als
unverbrüchliches Versprechen, das von den Nordiren bis heute als legendäres «The Pledge»
bezeichnet wird. Während sich der Orange Order mit der Regierung assoziierte, mussten
Katholiken, Gewerkschaften und sogar liberale Aussöhnungsversuche wie die von Brookes
Nachfolger Terence O'Neill als Feindbilder herhalten. Nach Schätzungen waren 95 % der
Unionisten protestantisch und 99 % der Nationalisten katholisch.
Die besondere Beziehung Ulsters zu Großbritannien entwickelte ihre komplizierte
Eigendynamik in der Epoche der globalen Dekolonisation. Kaum eine
Unabhängigkeitsbewegung war für das Empire so einschneidend wie die Indiens, die 1947 in der
Wahl Jawaharlal Nehrus zum indischen und Ali Jinnahs zum pakistanischen Premier gipfelte. Die
Teilung des Subkontinents in einen Staat der Hindus und einen Staat der Moslems war zunächst
ebenso wenig als Dauerlösung anvisiert worden wie die Teilung Irlands. Doch das feindselige
Verhältnis zwischen beiden Teilen - ob im Herzen Asiens oder im Nordwesten Europas -
beeinflusste in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg die Weltpolitik. Ihre
Wiedervereinigung wurde ebenso zur Utopie wie die von Gandhi propagierte Gewaltlosigkeit. In
Ulster wurde der Dauerkonflikt auch «Troubles» genannt, er entsprach einem permanenten
Ausnahmezustand. Man baute auf die feste Solidarität der Briten, zumal viele andere
Dekolonisationsprozesse, etwa die Lösung Algeriens von Frankreich oder des Kongo von
Belgien, der Weltgemeinschaft beispielhaft vor Augen führten, welches unermessliche
Konfliktpotential die Trennung zwischen Kolonie und ehemaliger Kolonialmacht besaß.
Für Ulster kam seit 1923 eine derartige Trennung nicht mehr in Frage. Im Gegenteil, die
Menschen richteten sich wie in einer Festungsanlage in einem politisch und gesellschaftlich
defensiven Zustand ein. Dieser reduzierte jeglichen sozialen Konflikt, ob im Arbeitsleben, im
Wohnungssektor oder im Schulwesen, auf die grundsätzliche Auseinandersetzung zwischen
Protestanten und Katholiken und verhinderte eine Verständigung zwischen den beiden
Konfessionen. Die Protestanten, in religiöser und sozialer Hinsicht ansonsten keineswegs
kohärent, schweißte die Wagenburg in einer Allianz zusammen. Die Teilung der Nation,
Schlüsselbegriff dieses Kapitels, hatte eine in jeder Hinsicht blockierende Wirkung und wurde
darin konstitutiv für die irische Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Wie konnte diese Blockade überwunden werden? Die Frage hatte zunächst keine Priorität.
Katholische Nationalisten in Ulster lehnten es ab, nach Wahlen ihre wenigen Parlamentssitze
einzunehmen, und katholische Beamte, ob im Polizei- oder im Schuldienst, wurden zu einer
verschwindenden Minderheit. Am Aufbau Ulsters waren sie nicht beteiligt, was sowohl an der
unionistischen Privilegienwirtschaft als auch an der katholisch-nationalistischen Selbstisolierung
lag sowie an der Weigerung der Nationalisten, die Legitimität Nordirlands überhaupt
anzuerkennen. Auf katholischer Seite ging man keineswegs von einer permanenten Teilung aus.
Einen notorischen Fall bildete Londonderry. Hier lebten fast doppelt so viele katholische
wie protestantische Wähler, aber trotzdem blieb der Stadtrat ohne Unterbrechung stets in den
Händen der Unionisten. Hätten die Katholiken die Gelegenheit wahrgenommen, eine einheitliche
und einflussreiche Opposition zu formen, und hätten die Protestanten eine Politik der
Gegenseitigkeit anstelle der institutionalisierten Diskriminierung erlaubt, wäre dieser bleierne
Zustand vermieden worden. Er hatte eine bemerkenswerte Kontinuität in der politischen Führung,
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