Travel Reference
In-Depth Information
II. Reformation und Restauration
1534-1691
Der konfessionelle Gegensatz zeichnete die Frühmoderne Irlands stärker als andere
Entwicklungen wie z.B. der in England sich ausbildende Merkantilismus und der im
kontinentalen Europa verbreitete Frühabsolutismus. Im keltischen Irland mit seiner gälischen
Stammesverfassung und im protestantischen Irland der Ascendancy mit seinem auf dem
normannischen Feudalismus aufbauenden englischen Kolonialsystem entstanden zwei
Gesellschaften, die durch unüberbrückbare Gegensätze gespalten und doch miteinander
verwoben waren. Die Religion war in diesem Prozess eine treibende Kraft.
Poynings' Gesetz von 1494 verhinderte auf lange Zeit Irlands politische Eigenständigkeit.
Der daran geknüpfte Machtanspruch Westminsters war nicht von der Hand zu weisen. Er gipfelte
im «Reformationsparlament», das Anfang 1534 den Bruch Heinrichs VIII. mit Rom
vervollständigte und erhebliche Auswirkungen auf das religiöse Leben in Irland hatte. Am Ende
der Epoche aber, die dieses Kapitel beschreibt, im Oktober 1691, wurden den Katholiken Irlands
im Vertrag von Limerick die religiösen Privilegien garantiert, die sie bis 1685 unter Karl II.
genossen hatten. Der Schlüsselbegriff dieses Kapitels ist Religion. Die durch die Reformation
verschärften konfessionellen Gegensätze in Irland wurden im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts
im eigentlichen Sinne zu politischen, militärischen, kulturellen und wirtschaftlichen Gegensätzen.
Wirtschaft und Gesellschaft
Gesellschaftlich bot der irisch-englische Kontrast auf den ersten Blick keine Spielräume
für einen Ausgleich. Allerdings fand zwischen dem frühen 16. und dem späten 17. Jahrhundert,
zwischen Reformation und Restauration, eine bemerkenswerte Verlagerung von Einflusszonen
statt, die auch die irische Gesellschaft berührte. Stellte Dublin samt Pale zunächst den
geographischen Kernbereich englischer Macht dar, so bildete sich in jenen 150 Jahren eine
führende Schicht heraus, die in der Historiographie als «Old English in Ireland» beschrieben wird
und die in ganz Irland statt nur in den östlichen Randgebieten präsent war. Die Grenzen des Pale
hatten eine Zeit lang die Grenzen der englischen Rechtsprechung symbolisiert. Außerhalb war
bestenfalls mit sporadischer Anerkennung der königlichen Autorität zu rechnen, schlimmstenfalls
jedoch mit Anarchie und Aufstand. Die Old English waren Nachkommen der Anglo-Normannen,
sprachen Englisch, begriffen sich als loyale Untertanen der Krone und brachten den Großteil der
Insel unter ihre politische und ökonomische Kontrolle. Militärisch mussten sie sich auf lange
Auseinandersetzungen mit den gälischen Stammesfürsten gefasst machen. Das Problem
verschärfte sich dadurch, dass die Grafen von Kildare das Amt des Lord Lieutenants für sich
allein beanspruchten und der englischen Krone bei Aberkennung dieses Privilegs drohten, Irland
in ein bürgerkriegsähnliches Chaos zu stürzen.
Um dem zu begegnen, wurden im 16. Jahrhundert neue Wehrburgen in den anglisierten
Teilen des Landes gebaut. Die Militärorganisation und -verwaltung wurde massiv verstärkt,
zugleich wurden zwischen 1534 und etwa 1610 zahlreiche Klöster aufgelöst. Kulturlandschaftlich
wirkte sich einschneidend aus, dass allein in Ulster etwa 20 Städte neu gegründet wurden oder
das Stadtrecht verliehen bekamen. Diese «Plantation Towns» - die größten unter ihnen waren
Derry, Enniskillen und Coleraine - gaben dem Land ein neues Gefüge. Stadtplanerisch von
Search WWH ::




Custom Search