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gen und Politikern zu. Zé Povinho (wörtlich „Josef Völkchen“) ist eine so-
zialkritische Karikatur, erdacht von Rafael Bordalo Pinheiro im Jahr 1875.
Mit der Zeit wurde die Figur zum Sinnbild für den personifizierten por-
tugiesischen „kleinen Mann“. Zé Povinho erschien erstmals in einer Aus-
gabe der satirischen Zeitschrift Laterna Magica als sich dümmlich am Kopf
kratzender Bauer, dem die Politiker das schwer verdiente Geld aus der Ta-
sche ziehen, während die Polizei aufmerksam zuschaut.
Heute kennt den Dicken, auch João Bitor genannt, jedes Kind. Er reprä-
sentiert einen einfach gestrickten, leiblichen Genüssen zugeneigten,
schwerfällig denkenden Provinzler, der mit den Widrigkeiten des Alltags
zu kämpfen hat und von der Steuerlast schier erdrückt wird. Seine Einfäl-
tigkeit macht sich der Staat zunutze und nimmt ihn skrupellos aus. Zé Po-
vinho erträgt alles mit Geduld, Gleichmut und Ignoranz - er kann aber
auch aufmüpfig und wütend werden. Sein Erfinder Pinheiro bezeichnet ihn
selbst so: O Zé Povinho olha para um lado e para o outro e ... fica como
sempre ... na mesma. - „ Zé Povinho schaut von rechts nach links und ...
bleibt wie immer ... beim Gleichen.“ Bis heute wird die Figur als Protest-
symbol für soziale Ungerechtigkeit und elitäre Machtpolitik angesehen.
„O Chico Esperto“
O Chico Esperto ist das genaue Gegenteil des Zé Povinho. Er ist der Ge-
witzte, Schlitzohrige, der immer eine Gesetzeslücke findet, um sich so ei-
nen Vorteil zu verschaffen. „Franz Schlaumeier“ könnte man ihn auf
deutsch nennen. Er umgeht geschickt Verbote und Regelungen, zahlt kei-
ne Rechnungen, ist korrupt und lacht sich dabei ins Fäustchen. Und er hält
sich immer für klüger als die anderen. Eigentlich ist aber auch er eine tra-
gische Figur, denn er merkt nicht, dass er sich mit seinem Verhalten nur
selbst aushebelt. Schließlich wird die Demokratie mehr und mehr unter-
graben, Korruption wird Alltag, die Wirtschaft ist wie mit einer Seuche in-
fiziert. Der Soziologe José Gil nennt den Chico Esperto den typischen Por-
tugiesen, der sich sinngemäß wie ein Virus durch die Gesellschaft zieht.
„O Tuga“
Die Portugiesen machen sich auch gern über sich selbst lustig. Der pein-
liche Landsmann und primitive Zeitgenosse in Vollendung ist für sie der
Tuga. Das Wort leitet sich von Portuga ab, eine hämische Bezeichnung für
Portugiese. Der Tuga repräsentiert all das, was kein Portugiese sein
möchte und wofür sich jeder Portugiese schämt. Er putzt sich Nase, Oh-
Zé Povinho: der portugiesische „Kleine Mann“ auf einem Verkaufsstand
 
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