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tenden Gesichtsausdruck annimmt. „Alle großen kulturellen Leistungen
kommen aus der türkischen Kultur, denn sie ist die älteste der Welt. Mich
interessiert nicht der Islam und auch nicht die EU, denn wenn wir Türken
zusammenhalten und zusammenfinden, wird die EU uns umwerben.“
Die MHP konnte sich folglich zumindest teilweise auf Atatürk und sei-
nen Nationalismus berufen, als sie ihre großtürkischen Phantasien ent-
wickelte und zum politischen Programm erhob. Als die Sowjetunion zu-
sammenbrach und sich deren Turkstaaten - Usbekistan, Kasachstan, Aser-
baidschan, Turkmenistan und Kirgisien - unabhängig machten, schien
nicht nur für die Turanisten das erhoffte Zeitalter der großtürkischen Ei-
nigung nähergerückt zu sein. Den jährlichen Gipfeltreffen zwischen den
Staatspräsidenten dieser Republiken folgten Kooperationen im Medien-,
Investitions- und Ausbildungsbereich, ohne dass sich die gegenseitigen
Hoffnungen auf ein gemeinsames politisches und wirtschaftliches Agieren
bisher zufriedenstellend erfüllt hätten. Nichtsdestotrotz errangen die Na-
tionalisten der MHP 1999 mit 18,1% der Stimmen ein überraschend gutes
Ergebnis; ein Grund für den Erfolg dürfte die Tatsache sein, dass viele Tür-
ken sich über die immer wieder hinausgeschobene Aufnahme in die EU
getäuscht und gedemütigt fühlen und der Panturkismus der Nationalisten
eine antieuropäische Kompensation verspricht. Auch sind viele die eu-
ropäische Kritik über den türkischen Umgang mit dem Kurdenproblem
endgültig leid - womit wir am wohl sensibelsten Punkt der türkischen Na-
tionalismuskonzeption angekommen wären.
Das Kurdenproblem
Die Kurden (kürtler) sind ein wahrscheinlich aus dem iranischen Raum
stammendes indoeuropäisches Volk, das um 1000 v.Chr. im heutigen
Grenzgebiet zwischen der Türkei, dem Irak und dem Iran ansässig wurde.
Einen selbstständigen Staat Kurdistan hat es nie gegeben, was zum ei-
nen an der Stärke der Nachbarvölker, zum anderen aber an der tribalen
Struktur der kurdischen Gesellschaft lag, in der Stämme und Sippen quasi
abgeschlossene Einheiten bildeten. Begünstigt wurde die Clanherrschaft
auch durch die geografische Unkontrollierbarkeit der ostanatolisch-iran-
ischen Bergwelt, die dem Zustandekommen einer zentralistischen Stam-
mesmacht im buchstäblichen Sinne hohe Barrieren entgegensetzte.
Die Bezeichnung „Kurde“ sowie die Identifizierung als indoeuropäische
Volksgruppe resultiert in erster Linie aus der Sprache, die zur Gruppe der
westiranischen Idiome gehört (wie auch die iranische Staatssprache, das
Farsi). Kurdisch ist aber keine einheitliche Sprache, sondern unterteilt sich
in Kurmanci (die weitaus größte Sprachgruppe), Sorani und Zazaki. Die
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