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(MHP). Die von dem bereits legendären Ex-Obersten Alparslan Türke¥ ge-
gründete und ideologisch ausgerüstete Partei verdient insofern Beach-
tung, als sie seit Juni 1999 in Koalition mit der sozialdemokratischen DSP
des Ministerpräsidenten Ecevit politische Verantwortung trägt. Mitteleu-
ropäer muss es erstaunen, dass Sozialdemokraten und Rechtsnationalis-
ten in einer Regierung harmonieren können. Aber die MHP, deren Ju-
gendorganisation „Graue Wölfe“ in den 1960er-Jahren in der Auseinan-
dersetzung mit den Linken noch Angst und Schrecken verbreitet hatte,
legte sich nach dem Tod ihres ideologischen Führers 1997 ein gemäßigte-
res Profil zu.
Alparslan Türke¥ (dessen Name allein schon Programm ist: Unter Sultan
Alp Arslan errangen die türkischen Seldschuken im 11. Jh. wichtige Siege
über die Christen) vertrat jenen auch Turanismus genannten türkischen
Nationalismus, der von einem Großreich der Türken vom Balkan über den
Kaukasus bis zur chinesischen Grenze träumte. Denn in all diesen Gebie-
ten leben Türken, die in Sprache, Denkweise und Kultur der anatolischen
Türkei nahestehen. Bereits Sultan Abdülhamid II. (1876-1909) versuchte
diese ethnische Karte beim Kampf gegen Russland auszureizen.
Über einige Vertreter der Jungtürken fanden diese das Türkentum als
Großmacht titulierenden Ambitionen auch (teilweise) den Weg zu Kemal
Atatürk. Aber der war Staatsmann und Realist genug, um weniger territo-
riale Ansprüche denn ideelle Aufwertungen der türkischen Kultur aus
diesen Gedanken zu schöpfen. Denn was konnte den türkischen Natio-
nalstolz mehr stärken als die durch Historiker-Kongresse unterstützte The-
se, dass die Türken schon seit den Sumerern und Hethitern - also lange
vor den Arabern und ihrem Islam! - staatsbildende Völker gewesen seien?
Dass ihre Sprache die Sonnensprache sei, die sogar die keltische Sprache
beeinflusst habe, also viel universaler und erhabener ist als die arabische,
die im Islam als vermeintlich heilige Sprache Gottes im Koran die Größe
des Türkischen nur kurzfristig verdeckt habe?
All diese und andere Theorien dienten Atatürk zu nichts anderem als der
Abwertung des Islam und der Einimpfung eines vorislamischen Natio-
nalstolzes. Und um den Bogen zu der von den Kemalisten so gewollten
westlichen Zivilisation schlagen zu können, erklärte Ziya Gökalp - turanis-
tischer und modernistischer Philosoph gleichermaßen -, dass Turanismus
und westliche Zivilisation sich nicht nur nicht ausschließen, sondern dass
die (vorislamischen) Türken eigentlich sogar die Demokratie sowie auch
Feminismus und Populismus hervorgebracht hätten. 27)
Noch radikaler fasst es Kenan, den ich auf der Bozburun-Halbinsel ken-
nengelernt habe und der für die MHP auf regionaler Ebene arbeitet und
allein schon bei Nennung des Parteigründers Alparslan Türke¥ einen anbe-
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