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nahmen und einen türkischen Nationalismus propagierten. Er sollte nun
die Stelle der entmachteten Religion einnehmen und als territorial umfas-
sendes Prinzip dem Staat seine formale und inhaltliche Identität geben.
Demnach galten alle auf dem Staatsgebiet der Türkei lebenden Völker-
schaften - darunter Kurden, Tscherkessen, Lazen, Araber und viele andere
- als Türken bzw. genauer als türkische Nation; die von den obigen Min-
derheiten verlangte Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur türkischen
Nation war, dass sie sich in diesem Sinne verstanden und mit dem Staats-
volk identifizierten. Türke war also derjenige, der sich als Türke fühlte und
die Unverletzlichkeit der türkischen Nation bejahte, auch wenn er - eth-
nisch gesehen - selbst kein Türke war. Das in der Verfassung explizit er-
wähnte Recht der Gleichheit, dass niemand aufgrund von Rasse, Ge-
schlecht, Sprache und Religion benachteiligt werden darf, zielt nicht so
sehr auf den Schutz einer multikulturellen Vielfalt, sondern proklamiert,
dass die türkische Nation und Kultur ein über diesen Merkmalen stehen-
des Gut für alle darstellt. „Dieser Grundsatz wird in der Türkei als Auftrag
verstanden, vorhandene ethnische und religiöse Ungleichheiten abzubau-
en bzw. die Schaffung einer ethnischen Gruppe zu verhindern.“ 26)
Die türkische Nation als homogene Gemeinschaft erwartet also - im
Sinne des kemalistischen Nationalismus - die Assimilation der anderen
Ethnien an die türkische Staatskultur, wie immer diese auch im Detail
definiert werden mag. Als unerlässliche Vorraussetzung gilt dabei vor al-
lem die Akzeptanz der staatlichen Einheit: Autonomie- wie separatistische
Bestrebungen ethnischer Gruppen können als „Vergehen gegen die inter-
nationale Persönlichkeit des Staates“ (Artikel 125 Strafgesetzbuch) mit
dem Tode bestraft werden. Des weiteren wird in der Verfassung von 1982
Türkisch als Sprache der Nation gewertet; es darf keine Partei gegründet
werden, die den ausdrücklichen Schutz einer anderen Sprache, Kultur
oder Religionsgemeinschaft zum Ziel hat.
Panturkismus und Turanismus
Während der Nationalismus mehr oder weniger erhaben über allen par-
teilichen Wassern schwebt und als sicherster Pfeiler des Kemalismus gel-
ten darf, findet der ihn übergreifende Panturkismus (türkçülük) seine
rechtsnationalistischePlattform in der „Nationalistischen Aktionspartei“
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