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Warmes Wasser dürfe man nur beim Aussprechen der besmele („Im
Namen Allahs, des barmherzigen Gottes“, vgl. Kapitel „Der Islam“) auf
den Boden schütten, denn falls ein im Boden lebender Dschinn (im Islam
und schon davor eine Art Geistwesen, dessen teuflische Künste zum Bei-
spiel in „1001 Nacht“ dargestellt sind) verletzt würde, könne es passieren,
dass seine Verwandten und Genossen ihn rächen wollten und so dem
Haus sicherlich Unglück bereiteten.
Eine Eule auf dem Dach sei auch kein gutes Zeichen, denn sie symboli-
siere die baldige Ankunft des Todes für irgendeinen der Hausbewohner.
Weniger dramatisch, aber auch nicht gerade ein glückverheißender
Wink des Schicksals sei das urplötzlich auftretende Schweigen in einer
Gesprächsrunde, ein „untrügliches“ Signal, dass im Familien- oder Be-
kanntenkreis in diesem Moment ein Mädchen geboren worden sei - der
Ursprung vieler Sorgen und Ängste (der Eltern).
Überhaupt ranken sich um den sensiblen Bereich der Geburt gleich
mehrere abergläubische Verhaltensratschläge. Bereits mit dem üblichen
Brauch der k£na gecesi (die „Henna-Nacht“ vor der Hochzeit) wird auf das
rituelle Bemühen verwiesen, alles zukünftige Übel von der Braut prophy-
laktisch fernzuhalten. Die versammmelten Frauen sind unter sich und tra-
gen der geschmückten Braut das glücksbringende Henna auf Hände,
Füße und Haare. (Diese rituelle Handlung, das Auftragen von Henna, er-
folgt a nalog auch bei der für die Jungen so wichtigen Beschneidungsfeier,
siehe Kapitel „Im Innenbereich: Die Familie und der Wert Sayg£ “.)
Am nächsten Tag geht es in der Regel dann zum Friseur, denn natürlich
will sich die Braut bei ihrer Hochzeit von der schönsten Seite zeigen. Dies
umso mehr - und damit kommen wir wieder in das obskure Reich des
Aberglaubens -, als sie während der folgenden (erwarteten) Schwanger-
schaft den Gang zum Friseur meiden wird, denn - so belehrt mich Se-
vilay - eine Schwangere, die sich vor ihrer Niederkunft die Haare ab-
schneide, verkürze auch das Leben ihres zukünftigen Kindes. Schon vor-
her gilt für die Jungverheiratete die ungeschriebene Regel, in den ersten
Monaten ihrer Ehe keiner Tötung - z. B. von Hausvieh - beizuwohnen,
denn das dabei unvermeidliche Blut könne Alpträume und überhaupt
Übles hervorrufen.
Hat die junge Frau dann endlich glücklich entbunden, bleiben Kind und
Mutter 40 Tage im schützenden Haus ; weibliche Verwandte und Nach-
barn machen die Einkäufe und kümmern sich um alles, und auch der Ehe-
mann muss im großen und ganzen diese 40-tägige Schutzzeit respektie-
ren. Nach deren Ablauf ist die junge Mutter (im religiösen Sinne) wieder
„rein“ - denn die Geburt macht 40 Tage „unrein“ (vgl. Kapitel „Sauberkeit
und Reinheit - Nicht nur mit Links“) - und kann mit dem Kind den ersten
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