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AuchdiemilitärischeElitedesLandeshattesichverändert:Warendie Ja-
nitscharen am Anfang dankbare „Kinder“ des Sultans, die für ihre Ausbil-
dung und militärische Tüchtigkeit auf Versorgung durch den Herrscher
zählen durften, entwickelten sie sich in der Folgezeit zu einer raffgierigen
Klasse im Staat. Die gewährte und anfangs demütig empfangene Versor-
gung durch den Sultan- quasi der Lohn für Loyalität- veränderte sich zur
Anspruchshaltung,ohnedieeinneuerSultankeineLoyalitäterwartendurf-
te. Der Staatsschatz wurde so beim Regierungsantritt kontinuierlich ge-
plündert, denn nur der Sultan, der mit vollen Händen austeilte, konnte auf
die Zustimmung und Unterstützung der Elitekrieger zählen.
Hinzu kam als außenpolitisches Moment, dass die militärische Expan-
sion ins Stocken geriet. Denn es sei nochmals daran erinnert, dass einer
der Gründe für die Stärke des Osmanischen Reiches sein religiös moti-
vierterExpansionsdranggegendieungläubigenLänderwar,dersichnicht
nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich auszahlte. Da das Reich aber
aus der Offensiv- in die Defensivhaltung geriet, gab es zusätzlich zu den
teuren Kriegen bald noch teurere Friedensschlüsse.
Neben der politischen (schwache Sultane und Spaltung der Macht in
Teilinteressen) und wirtschaftlichen Schwäche des Reiches gab es aber
noch einen viel entscheidenderen Faktor des Niedergangs: die osmani-
sche Unfähigkeit, mindestens aber Unwilligkeit, den gesellschaftlichen
Umbruchprozessen in Europa Rechnung zu tragen. AlleReformer-und
von denen sollte es in den folgenden Krisenzeiten nicht wenige geben -
hatten eines gemeinsam: Sie dachten daran, die Missstände im Reich in
derWeisezubekämpfen,dasssichdieglorreichenZeitenderVergangen-
heit wiederholen und wiederherstellen lassen würden. So gut wie keiner
von ihnenbegriff, dassdas ihnengegenüberstehendeEuropasichin revo-
lutionärenDenkstrukturenentwickelte,dassTechnik,Effizienzundeinim-
mer expansiveres Eindringen in die materielle Ausbeutbarkeit der Welt
Konstantenjener„Zivilisation“werdensollten,dieJahrhundertespätervon
Atatürk alternativlos als „die Zivilisation“ bezeichnet wurde. Das Osma-
nische Reich dagegen blieb eine islamische, relativ statische und - im mo-
dernen Sinne - entwicklungsfeindliche Gesellschaft. Sie sollte so das
Schicksal teilen, dass alle nicht-westlichen Gesellschaften im Wettlauf mit
dereuropäischenModerneereilte:SiemusstenindieDefensiveundletzt-
endlich untergehen oder sich kulturell anpassen.
DieosmanischenTruppenstelltenim15.und16.Jahrhundertdiestärks-
te Militärmacht der damaligen Welt dar, aber schon zu dieser Zeit waren
auf militärtechnischem Gebiet Renegaten, d. h. christliche Überläufer,
dafür verantwortlich, dass sich die türkische Artillerie auf der Höhe der
Zeit befand. Es war - wie schon erwähnt - ein ungarischer Techniker, Ur-
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