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heit nicht Gott nähern kann. Das führt zur rituellen Waschung
(aptes);
sie
ist nach folgenden körperlichen Handlungen bzw. Zuständen durchzu-
führen: nach dem Geschlechtsverkehr, nach der Menstruation (oder auch
unregelmäßigen Blutungen) und nach dem Gang zur Toilette. Die Aufzäh-
lung macht klar, dass Frauen sich notwendigerweise viel häufiger und län-
ger im Zustand der Unreinheit befinden als Männer; die Fastentage, die
sie im Fastenmonat Ramadan aufgrund ihrer Periode nicht im reinen
Zustand fasten können, müssten strenggenommen nachgeholt werden,
soll der volle Umfang der Fastenzeit gewahrt sein.
Auch wird klar, dass das religiös Unreine - nicht aber die persönliche
Unsauberkeit! - eng mit der Sexualität zusammenhängt. Da zu diesem Be-
reich auch die Geburt von Kindern zählt - sie macht 40 Tage unrein
79)
-
erhöht sich der zeitliche wie
grundsätzliche Reinheitsunterschied zwi-
schen Männern und Frauen
nochmals; letztere sind aufgrund ihrer biolo-
gischen Funktionen an sich unreiner als Männer, denn sie können diese
teilweise - im Gegensatz zu den Männern - gar nicht ausschalten bzw.
kontrollieren.
Sexualität und all ihre Bereiche beziehen sich, wie bereits dargestellt, auf
den
mahrem
(Geheimnis, Intimbereich). Im Verhältnis zu Gott - nicht zu
den Geschlechtern untereinander - ist der Bereich des
mahrem
zugleich
haram
(das Verbotene). Alle Sachen, die in ihm passieren oder aus ihm
he
rvorgehen - Geschlechtsakt, Samenerguss, Geburt - ziehen die religiö-
se (!) Unreinheit nach sich. Das Verbotene ist also das Unreine, also das,
was die Annäherung an Gott unmöglich macht. Die rituelle Reinheit ist
folglich eine rein
religiöse Reinheit,
die im Alltag unbewusst auch hygie-
nische Verhaltensweisen nach sich zieht, d.h sie ist zunächst ideeller und
erst dann praktischer Natur.
Haram ist der Genuss von
Schweinefleisch
und auch - wie
Andrea Pe-
tersen
ausführt - die Zurschaustellung
gewisser Teile des menschlichen
Körpers,
„... der weibliche vom Busen, der männliche vom Nabel abwärts.
Vor der Beerdigung wird an einem Toten Maß genommen; die Tiefe des
Grabes richtet sich nach dem Geschlecht des Toten. Alles, was haram ist,
müsste bedeckt sein, wenn der/die Tote im Grab stehen würde. Frauen-
gräber sind daher tiefer angelegt als Männergräber.“
80)
Damit ist der obe-
re Teil des Körpers per se reiner als der untere; der Kopf (das Ideelle) steht
über den Körperteilen und Funktionen, die der Erde (Materie) und dem
Erdhaften (Absonderungen des Körpers, Sexualität, Geburt) zugeneigt
sind. An dieser Stelle verbindet sich auch das Konzept der Reinheit (dem
Verbergen des
haram
) mit den bereits dargestellten Kleidervorschriften,
nach denen die Offenlegung der sexuellen Körperbereiche - und nun
kommen alle Wortbedeutungen von
pis
zusammen - nicht nur religiös un-