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rein, sondern auch ästhetisch unattraktiv und moralisch unanständig ist;
letztere Urteile folgen aus ersterem. Und auch auf diesem Gebiet haben
Frauen, wie wir längst wissen, viel mehr zu verhüllen als Männer.
So muss man denn den Schluss ziehen, dass Männer aufgrund ihrer eher
äußeren sexuellen Aktivität und Anatomie nicht nur einen leichteren Weg
zur Reinheit, sondern auch zu Gott haben. Diese - in allen sogenannten
„Hochkulturen“ zu findende - erhöhte Position des Mannes äußert sich
in den traditionellen Gebieten der Türkei buchstäblich darin, dass der
Mann nicht nur seinen Gang aufrecht und stolz gestaltet, sondern auch
sein ganzes Gebaren, sein Blick einen Zug „ nach oben“ ausdrückt (die
Frau dagegen hastet verhüllt und defensiv durch das Außen, ihr ganzer
Körper weist „... nach unten, zur Erde, zum Haus, nach Innen hin ...“). 81)
Der Zug „ nach oben“, das gesteigerte Verhältnis zu Gott (und die da-
mit verbunden Kategorien Autorität und Reinheit) drückt sich auf vielen
Gebieten aus; offensichtlich streben die schlanken, phallusartigen Mina-
rette (analog zu den gotischen Kirchtürmen) in den Himmel; von ihnen
schwirrt der männliche Ruf des ezan (Gebetsruf) über die Gemeinde hin-
weg, zu ihren Füßen reinigen sich die Gläubigen nach rituellen Vorschrif-
ten am ¥ad£rvan (Moscheebrunnen) von allen materiellen, niedrigen Un-
reinheiten, bevor sie in einem Wechsel von aufrechten und niederfall en-
den Gebetsbewegungen vor Gott treten. In diesem Sinne reinigt auch
fließendes Wasser von oben nach unten, wie also soll das im ruhenden
Wasser der Badewanne bewirkt werden? Und auch im Haus „... hängen
oder stehen andere wertvolle Gegenstände - etwa Familienfotos - immer
sehr weit oben im Raum auf Schränken oder hoch angebrachten Regalen.
Männer sitzen oben auf dem Diwan, Frauen auf der Erde.“ 82)
Man erkennt leicht, dass der islamische Reinheitsbegriff weniger der
persönlichen Hygieneauffassung denn der rituell-situativen Reinheit ver-
pflichtet ist; erstere ergibt sich aus der letzteren, wobei vielen Leuten die
Verbindung von religiöser und hygienischer Reinheit oft gar nicht mehr
bewusst ist. Das von Petersen angeführte Beispiel, „... dass sich verheirate-
te Frauen nicht auf das Bett unverheirateter Mädchen setzen dürfen, da je-
ne unrein (d. h. sexuell aktiv, M.F.), diese aber rein (d. h. sexuell unberührt,
M.F.) sind“ 83) , dürfte in der modernen Türkei kaum mehr bewusst prakti-
ziert werden.
Trotzdem weist das Beispiel vehement auf den durchaus noch sehr le-
bendigen und sensiblen Zusammenhang von Reinheit und Ehre (Na-
mus) hin; die Reinheit (Jungfräulichkeit) muss sich vom Unreinen trennen
Iftar-Zelt erwartet den Ruf des Muezzin
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