Travel Reference
In-Depth Information
Bewahrung ihrer kulturellen und religiösen Eigenheiten sowie den Ge-
brauch der eigenen Sprache (auch in der Schule). Abgesehen von diesen
drei anerkannten religiösen Gruppen setzten die Türken in Lausanne un-
eingeschränkt ihr Prinzip der Einheit von Staatsgebiet und Staatsvolk
durch, d. h. alle ethnischen Unterschiede wurden in dem recht abstrakten
Begriff „türkische Nation“ aufgehoben.
Zwar stellen die Türken mit rund 92% der Bevölkerung die große Mehr-
heit d es Staatsvolkes dar, aber mindestens 6,2% der Bürger (also rund
5 Millionen 30) ) sind Kurden und damit eine immerhin beachtliche Mino-
rität. Das von den Kemalisten für den Aufbau der türkischen Nation selbst
beanspruchte Selbstbestimmungsrecht der Völker konnte dieser Gruppe
- wie auch anderen Minderheiten - nur vorenthalten werden, indem man
sie unter dem Begriff „türkische Nation“ zu „Türken“ machte. Dass diese
türkische Nation, eigentlich ein aus dem Westen importiertes Konstrukt
der Kemalisten, über ihre faktische multiethnische Zusammensetzung hin-
wegsehen musste, ergab sich aus der Notwendigkeit, den neuen Staat vor
separatistischen Forderungen anderer Volksgruppen zu schützen (s.o.). So
gesehen wurden die Kurden (kürt) denn auch lange euphemistisch als
„Bergtürken“ (da¤l£ türkler) bezeichnet, obwohl der Begriff nie einen offi-
ziellen Status erlangte.
Der erste Kurdenaufstand im Jahre 1925 unter Scheich Said, der selbst
dem Nak ¥ ibendi-Derwischorden angehörte, mobilisierte sich zwar religiös
gegen die „gottlose“ Säkularismus-Politik der Zentralregierung in Ankara,
trug aber auch bereits nationalistische Züge. Der Aufstand wurde - nicht
zuletzt auch aufgrund der Stammesrivalitäten unter den Kurden - schnell
niedergeschlagen, Said und die anderen Führer in Diyarbak£r gehängt.
Die Kemalisten verstärkten danach nicht nur ihre antireligiöse „Zivilisie-
rungspol itik“, sie begannen auch mit Deportationen von Kurden, die
gemäß eines 1934 in Kraft getretenen Gesetzes als „Personen ohne Ver-
bundenheit mit türkischer Kultur“ 31) im Sinne des obigen Nationalismus
„assimiliert“ , d. h. türkisiert werden mussten. Die kurdische Diaspora, die
vorher bereits durch exilierte Kurden im Ausland bestanden hatte, ent-
stand nun auch innerhalb der Türkei; von den Stammesgebieten im
(Süd)osten des Landes wurden Kurden nun auch in die westlichen Gebie-
te der Türkei (besonders Großstädte) verpflanzt, um sie in der türkischen
Mehrheit aufgehen zu lassen. Kurdische Publikationen wurden verboten.
Nach weiteren erfolglosen Aufständen in den 1930er-Jahren brachte die
Demokratisierung nach 1945 einegewissenEntspannung;deportierteFa-
milien durften wieder nach Kurdistan zurückkehren, und die Regierung er-
kannteauchdiewirtschaftlicheNotsituationimSüdostendesLandesalsei-
nen wichtigen Grund der dortigen Unzufriedenheit an. Die sukzessive
Search WWH ::




Custom Search