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Bauten der Wilhelma, eine „schwäbi-
sche Alhambra am Neckar“. Nur ausge-
suchte Gäste erhalten eine Einladung,
auf seinem Landsitz im märchenhaft-ori-
entalischen Baustil will der könig meist
ungestört bleiben. kronprinz karl und
seine Gemahlin, die russische Zaren-
tochter Olga, erhalten mit der Villa Berg
ebenfalls einen Sommersitz. Hier orien-
tiert sich der Architekt an italienischen
Renaissancevillen.
Zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: Der
Anschluss an die Eisenbahn ist für die
Industrialisierung von großer Bedeutung.
Der erste Bahnhof in der Bolzstraße wird
1846 in Betrieb genommen. Ab 1868
verkehrt in Stuttgart eine Pferdebahn,
ab 1884 fahren Straßenbahnen und die
Zahnradbahn. Die ersten Tunnel werden
gebaut, etwa 1896 der Schwabtunnel
als Verbindung nach Heslach.
1870/71 schließen sich das Groß-
herzogtum Baden und das königreich
Württemberg dem Deutschen kaiserreich
an. Die Stadt wächst enorm, 1846 hat
Stuttgart erst 50.000 Einwohner, 1874
sind es rund 100.000 und im Jahr 1900
bereits über 175.000 Einwohner.
Der pompöse Marquardtbau von
1896 an der königstraße beherbergt
eines der vornehmsten Hotels der Stadt.
Industriebetriebe verlassen aus Platz-
gründen oder wegen der Verkehrsanbin-
dung den Talkessel und siedeln sich öst-
lich am Neckar oder im Norden der Stadt
an. Das städtische Bürgertum baut sich
prächtige Villen in die Hanglagen - beste
Weinberglagen werden zu vornehmen
Wohnvierteln. Dabei entstehen auch die
heute für Stuttgart so typischen Stäffele
(Treppen).
Aber auch der Stadtkern wächst,
ganze Straßenzüge mit mehrgeschossi-
gen Gründerzeitbauten schaffen Wohn-
raum für die wachsende Bevölkerung.
An der heutigen Heilbronner Straße wird
1868 bis 1872 das „Postdörfle“ gebaut,
die erste Arbeitersiedlung der Stadt
für Beschäftigte der Post und der Bahn
(im 2008 dort eröffneten Hotel Arcotel
Camino, s. S. 126, wurden erhaltene
Teile integriert).
Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts: Mit
Förderung könig Wilhelms II. entste-
hen um 1910 repräsentative Bauten
wie das Opernhaus und das (nicht mehr
erhaltene) Schauspielhaus im Oberen
Schlossgarten. Zugleich entwickelt eine
Architektengruppe um Theodor Fischer
und seine Schüler Paul Bonatz, Martin
Elsässer und Paul Schmitthenner eine
„Stuttgarter Schule“, deren Bauten wie
kunstgebäude, Hauptbahnhof, Gustav-
Siegele-Haus, Markthalle und königin-
Olga-Bau noch heute prägende Akzente
im Stadtbild setzen.
1918 dankt auch der württembergi-
sche könig ab. Nach dem verlorenen
Ersten Weltkrieg wird Stuttgart Landes-
hauptstadt von Württemberg.
Zur Zeit der Neuen Sachlichkeit und
bei den ersten Versuchen funktiona-
len und rationellen Bauens zeigt sich
Stuttgart experimentierfreudig: Die Wei-
ßenhofsiedlung entsteht 1927 als Mus-
tersiedlung für Neues Bauen. Ein Jahr
später wird der Tagblatt-Turm, das erste
Stahlbeton-Hochhaus Deutschlands, als
architektonische Sensation gefeiert, ihm
gegenüber entsteht das kaufhaus Scho-
cken (das trotz weltweiter Proteste 1961
abgerissen wird).
Weltwirtschaftskrise und die Macht-
übernahme der Nationalsozialisten prä-
gen auch Südwestdeutschland. Nach
1933 soll Stuttgart zur Gauhauptstadt
und „Stadt der Auslandsdeutschen“
ausgebaut werden. Die geplanten monu-
mentalen Bauwerke und Straßenfluch-
ten verhindert der Ausbruch des Zweiten
Weltkriegs im Jahr 1939.
Stuttgart wird durch Bombenangriffe
weitgehend zerstört - mehr als 60 Pro-
zent der Stadt liegen in Schutt und
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