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Fosse Ardeatina
Im Bewusstsein der Menschen ist der
schlimmste Tod der zufällige und sinnlose,
weshalb denn auch alles getan wird, um
aus unglückseligen Opfern Märtyrer und
nach freiem Ermessen handelnde Helden
zu machen. Auf den Inschriften des gro-
ßen Mahnmals bei den Fosse Ardeatina
kommt dieses Bedürfnis zum Ausdruck ...
da reden die Toten voll Pathos und könn-
ten doch schweigen, da schon der Ort ihre
Geschichte auf die erschütterndste Art und
Weise erzählt.
Für die zweiunddreißig bei einem Bom-
benattentat im März des Jahres 1944 um-
gekommenen SS-Soldaten war an Men-
schenleben die zehnfache Zahl eingefor-
dert worden. Eine Anzahl mehr oder we-
niger Verdächtiger hatte man an Ort
und Stelle aufgegriffen, darunter völlig
Unbeteiligte, die sich gerade in der Nähe
[...] befanden. Die Gefängnisse, auch die
polizeilichen Überwachungsstellen, hat-
ten Opfer geliefert, Juden, Antifaschisten,
Missliebige aller Art.
Am 24. März wurden die für den Süh-
netod Bestimmten auf der Via Ardeatina
in die Campagna hinausgeführt, an einen
Ort, der beides zugleich sein konnte, Hin-
richtungsstätte und Grab. In den Sandhü-
gel eingeschnitten fanden sich hier Gänge,
hoch und verzweigt, man begeht sie noch
heute und folgt damit dem letzten Weg der
vom Tode zusammengewürfelten Schar.
Nur dass es damals dort drinnen dunkel
war, während jetzt der Himmel herein-
schaut - gerade die Sprengung, durch die
das Massengrab unzugänglich und un-
auffindbar gemacht werden sollte, riss ein
Stück der Erddecke weg.
Jetzt brennen zudem hier und dort an
den glatten Lehmwänden Lämpchen, ei-
nes auch über der besonderen Grabstät-
te der menschlichen Überreste, die keine
Gestalt mehr ergaben. Die anderen Toten
liegen draußen in den nach der Art rö-
mischer Triklinien aufgemauerten Rei-
hensarkophagen, ein gewaltiges finsteres
Rechteck, das eine einzige auf niederen
Stützen ruhende Betonplatte überdeckt.
Das sind die Denkmäler der Toten der
Fosse Ardeatina: Die monumentale Grab-
platte, die Dreiergruppe des Bildhauers
Coccia, welche drei Männer, einen jungen
Erschrockenen, einen trotzig Aufbegeh-
renden und einen leidend Gebeugten zu-
sammenbindet, die Gitter aus schwarzem,
gusseisernem Dornengeschlinge, der Hü-
gel, von dem aus man über das junge Lor-
beergebüsch eines künftigen Haines zum
Grabmal der Caecilia Metella hinüber-
blicken kann.
Von allem bleibt die tropfnasse Grab-
finsternis unter der Betonplatte am nach-
haltigsten im Gedächtnis, das furchtbar
Abschließende jedes Todes, aber auch das
gewaltsame Ersticken und Verbergen die-
ser besonderen Hinrichtung sind in der
einfachen Anlage erschütternd zum Aus-
druck gebracht. [...]
Ein Freund, dessen Familienangehöri-
ge an ähnlichen Orten und ebenso unbe-
kannt ruhen mögen, führte uns. [...] Er
war es, der uns angesichts unserer wach-
senden Bedrückung erzählte, dass unter
den Toten auch ein SS-Mann des Erschie-
ßungskommandos, ein Verweigerer des
furchtbaren Auftrags, gewesen sei.
(Text von Marie Luise Kaschnitz)
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