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Anfang des 17. Jh. etablierte sich am
östlichen Ende der Fleet Street ein Ge-
biet, das Alsatia genannt wurde - die
Bezeichnung ging auf das Elsass zurück,
das damals im Verständnis der Briten
ein Niemandsland zwischen Frankreich
und Deutschland gewesen sein soll. Ur-
sprünglich gehörte das Areal zum White-
friars-Kloster. Mit der Reformation und
der damit einhergehenden Auflösung
der Konvente entwickelte sich das klei-
ne Viertel - gelegen im Bereich der heu-
tigen Whitefriars Street und der Hanging
Sword Alley - zu einer Asylgegend. Die-
be, Straßenräuber und Kriminelle aller
Art ließen sich in Alsatia nieder und fan-
den hier Schutz vor der Obrigkeit: Para-
doxerweise lag diese „Räuberhöhle“ nur
einen Steinwurf von den lnns of Court,
den Rechtsschulen, entfernt. Im Jahre
1692 flüchtete auch Daniel Defoe nach
Alsatia. Der Autor des „Robinson Crusoe“
hatte einen Schuldenberg von 17.000
Pfund angehäuft, ein Großteil des Gel-
des gehörte seiner Schwiegermutter, die
die Häscher gegen ihn ausgeschickt hat-
te. Defoe blieb einen Monat in seinem
Asyl und reiste dann nach Bristol, wo es
ihm gelang, seine Angelegenheiten zu re-
geln. 1697 stürmten Truppen das Vier-
tel und verhafteten oder vertrieben die
Bewohner.
Auch in der Fleet Street befand sich,
ebenso wie in Southwark, eines der be-
rüchtigten Gefängnisse der damaligen
Zeit: das Fleet Prison. Wie bereits er-
wähnt, hatten die Häftlinge in jenen Ta-
gen selbst für ihren Lebensunterhalt zu
sorgen. Wer arm war, dem blieb nichts
anderes übrig, als am Begging Gate, am
„Bettlergitter“, Fleet-Street-Passanten
um eine milde Gabe zu bitten. Auch die-
se Haftanstalt ging in die englische Lite-
ratur ein: Im Shakespeare-Stück „Hein-
rich IV.“ wird der Protagonist Sir John
Falstaff ins Fleet Prison geworfen und
Charles Dickens gibt in seinem Roman
„Mr. Pickwick“ eine schaudern machen-
de Beschreibung des Gefängnisses. Vom
November 1746 bis März 1749 saß ein
gewisser John Cleland im Fleet ein und
schrieb während dieser Zeit den Roman
„Memoirs of Woman of Pleasure“, besser
bekannt unter dem späteren Titel „Fanny
Hill“. Das obszöne Werk brachte dem Ver-
leger einen Gewinn von 10.000 Pfund.
Cleland selbst verdiente weniger als
25 Pfund daran. Bis zum Jahr 1963, als
der Roman auch offiziell wieder aufge-
legt werden durfte, blieb „Fanny Hill“ ein
„Untergrundklassiker“.
Erst Mitte des 19. Jh. wurde das Ge-
fängnis geschlossen, nur noch der Stra-
ßenname Fleet Lane erinnert daran. Eine
andere monströse Institution jener Tage
hatte ihren Sitz am heutigen Bridewell
Place. Dort befand sich einst ein kleiner
königlicher Palast, den Eduard VI. der
City übereignete - fortan kerkerte man
in dieser „Besserungsanstalt“ „streu-
nende“ Jugendliche und „unmoralische“
Frauen ein.
Am 11. März des Jahres 1702 wurde
Londons erste Tageszeitung, The Daily
Courant, im Fleet-Street-Gebiet gedruckt
und ausgeliefert. Schon bald galt Fleet
Street damit als die Pressestraße, denn
eine ganze Reihe von täglich erscheinen-
den Druckerzeugnissen kam nun auf den
Markt. The Daily Courant erschien 1735
zum letzten Mal. Von all den im 18. Jh.
gegründeten Zeitungen überlebte nur
eine einzige bis heute: 1785 erschien die
erste Ausgabe des Universal Daily Regis-
ter, drei Jahre später änderte man den
Namen, nun hieß die Zeitung The Times.
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