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Das auffälligste Gebäude am Platz
ist das neogotische Rathaus, von
dessen Turm das aus 35 Glocken be-
stehende Glockenspiel von 1987 er-
klingt. Der dritte Bau an dieser Stelle
stammt aus dem Jahre 1841.
Schräg gegenüber liegt der Nep-
tunbrunnen. Der älteste Brunnen
der Stadt wurde 1545 erbaut. Frü-
her zierte ihn ein Löwe, das Weima-
rer Wappentier. 1774 wurde er durch
eine Neptunfigur ersetzt, die in der
Renaissance ein beliebtes Motiv war.
Die Häuser hinter dem Brunnen,
an der Nordseite des Marktes, wur-
den erst zwischen 1988 und 1991
errichtet. Der Wiederaufbau der im
Krieg zerstörten Gebäude wurde so
originalgetreu wie möglich ausge-
führt. In die Fassade der alten Hof-
apotheke integrierte man sogar den
noch erhalten gebliebenen Renais-
sance-Erker und das Originalportal.
Um zahlungskräftige Gäste aus dem
„Westen“ zufrieden zu stellen, lief bis
1989 in Weimar städtebaulich eini-
ges anders, wovon auch das Stadt-
haus (Nr. 10) zeugt. Im 16. Jh. erbaut,
wurde das Handelshaus bei einem
Luftangriff so schwer getroffen, dass
es abgerissen werden musste. Doch
statt einen seelenlosen Betonklotz zu
errichten, entschied man sich 1968
für die fast originalgetreue Rekons-
truktion der alten Fassade.
Das 1547-49 erbaute Doppelhaus
(Nr. 11/12) zählt zu den schönsten
Renaissancebauten Thüringens: links
das Cranachhaus, das Lucas Cranach
d. Ä. ein Jahr vor seinem Tod bezog,
und rechts das Pestelhaus. Entwor-
fen wurden beide Gebäude von Ni-
kolaus Gromann (1500-1566), ei-
nem der bedeutendsten Baumeister
seiner Zeit. Ab 1732 war es Sitz der
ältesten Buchhandlung der Stadt, zu
deren Kunden Goethe, Schiller, Her-
der und Anna Amalia zählten. Schräg
gegenüber steht mit dem Hotel Ele-
phant (s. S. 131) eines der bekann-
testen Gebäude Weimars. Gegrün-
det wurde der Gasthof 1696 als Un-
terkunft und Lager für durchreisende
Kaufleute. Später übernachteten hier
viele berühmte Besucher der Stadt
wie Friedrich Schiller, Max Klinger,
Felix Mendelssohn Bartholdy und Ri-
chard Wagner. Das heutige Hotel ist
ein von dem nationalsozialistischen
Architekten Hermann Giesler entwor-
fener Neubau aus dem Jahr 1938. Er-
zwungen hatte diesen Hitler, dem das
alte Gebäude zu wenig repräsentativ
erschien. An jener Stelle, wo den Vor-
gängerbau ein Elefant zierte, ließ Hit-
ler einen Balkon anbauen, von dem
aus er sich vom Volk huldigen ließ.
Der Balkon existiert noch immer. Seit
1999, als Weimar Kulturhauptstadt
Europas war, steht dort jedes Jahr die
Figur einer mit Weimar verbundenen
Persönlichkeit, deren Ideenwelt der
von Hitler möglichst fern ist.
Nach dem Krieg entwickelte sich
das Hotel wieder zu dem, was es ei-
gentlich war: ein Haus für Künstler
und Freidenker. Erster Gast nach der
Wiedereröffnung im Jahr 1955 war
Thomas Mann (1875-1955). Der
Schriftsteller, Literaturnobelpreisträ-
ger und entschiedene Nazi-Gegner
ließ Teile seines weltbekannten Goe-
the-Romans „Lotte in Weimar“ hier
spielen.
Heute sind die sieben Suiten des
Hotels bekannten Persönlichkeiten
gewidmet, natürlich auch Thomas
Mann. Dessen Suite ist, durchaus
symbolträchtig, das ehemalige Hitler-
Zimmer hinter dem Balkon.
Direkt neben dem Hotel klafft eine
Lücke. Hier standen das Wohnhaus
Johann Sebastian Bachs, der in Wei-
mar neun Jahre als Hoforganist arbei-
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