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„Blau machen“ mit Waid
der Stadt sorgte. Den Urin lieferten
die Waidknechte: Sie durften sich in
einer der rund 600 Hausbrauereien
(s. S. 36) einen „Pegel“ trinken und
anschließend „blau machen“.
Urkunden bestätigen, dass mit dem
Waidanbau in den Dörfern des Thü-
ringer Beckens im 13. Jh. begonnen
wurde. Nach der Ernte wurde der
Waid gewaschen, getrocknet und an-
schließend in der Waidmühle unter
großen Mühlsteinen zerquetscht. Das
halbfertige Produkt musste nun auf
dem großen Waidmarkt Erfurts,
dem Anger É , an die Waidjunker
verkauft werden. Anfang des 17. Jh.
begann Indigo, Waid als Färbemittel
zu verdrängen, was zu einem extre-
men Rückgang des Waidanbaus und
-handels führte.
Mit dem zunehmenden Anbau von
Flachs und der wachsenden Leinen-
und Wollverarbeitung wuchs im Mit-
telalter die Nachfrage nach färben-
den Stoffen. Dabei führte kein Weg an
der Waidpflanze (auch bekannt als
Färberwaid oder Pastel) vorbei, denn
nur diese besaß zuverlässige blaufär-
bende Eigenschaften. Das Farbpulver
war so wertvoll, dass es mit Gold auf-
gewogen wurde und seinen Besitzer,
den Waidjunker, „stinkreich“ mach-
te. Dies war durchaus wörtlich zu neh-
men, denn um Waid zu Farbe verar-
beiten zu können, musste die Pflanze
immer wieder mit Wasser und Urin
vermengt werden und ein halbes Jahr
gären, was für einen üblen Duft in
Gekrönt wird der Platz vom Dom-
berg. 70 Stufen, die sogenannten
Graden (lat. für „Stufe“), führen seit
dem 15. Jh. hinauf zum Dom St. Ma-
rien Ï und zur Severikirche Ð , wel-
che zusammen eine wahrlich einma-
lige Kulisse bilden. Der höchste Turm
der Severikirche misst 73 m, jener
des Domes 69 m. Rechnet man den
Domberg mit hinzu, überragen sie
den Platz um 86 bzw. 81 m.
Den Mittelpunkt des Domplatzes
bildet der 18 m hohe, im Jahre 1777
errichtete Obelisk. Er erinnert an den
ersten Erfurt-Aufenthalt des Main-
zer Erzbischofs Friedrich Karl Joseph
von Erthal (1719-1802). Ganz in der
Nähe befindet sich der Minervabrun-
nen (1784). Er ist der letzte von einst
55 Laufbrunnen, die der Wasserver-
sorgung der Stadt dienten. Viele se-
henswerte Fachwerk- und Bürgerhäu-
ser aus vier Jahrhunderten flankieren
den Domplatz; zu den geschichts-
trächtigsten Gebäuden zählt dabei
das Gasthaus Hohe Lilie Î .
Der Domplatz dient heute, wie
schon im Mittelalter, als Marktplatz.
Auch gibt er Raum für diverse Groß-
veranstaltungen, wie den Besuch
von Papst Benedikt XVI. im Herbst
2011, die DomStufen-Festspiele
(s. S. 9) im Juli oder die „Martini“-
Feier (s. S. 10) im November.
Zur Wendezeit war der Domplatz
zudem Endpunkt der Demonstrati-
onszüge. Zu einer der größten Pro-
testveranstaltungen außerhalb von
Berlin und Leipzig versammelten sich
hier und in den Nebenstraßen rund
80.000 Bürger, also rund ein Drittel
der damaligen Stadtbevölkerung.
µ Stadtbahn: 3, 4, 6 bis Dompl.
F Domplatz-Panorama Í : der
Obelisk und die Allerheiligenkirche
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