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sind das nur leere Zweit- oder Drit-Immobilien, und man sieht nicht viel mehr
als hohe Hecken).
Die Folie der Obdachlosen wäre eine Karte, auf der alle Essensausgabestellen
sichtbar wären und die Toleranzgrenzen der Polizei. Eine Karte, die ab einer
bestimmten Uhrzeit ihr Gesicht radikal verändern würde. Parks, Plätze, Geschät-
seingänge, Bushaltestellen und Wartehäuschen müssen in Los Angeles zu einer
bestimmten Uhrzeit geräumt werden. Manchen potenziellen Schlafplätzen darf
man sich nicht einmal nähern, andere gute Stellen sind mit Sicherheit schon
belegt.
Eine Folie der Gangs zeigt, welche Regionen lebensgefährlich sind, weil dort
die anderen leben, die Crips oder Bloods oder wie sonst sie sich nennen mögen.
Die Industrie wiederum benutzt völlig eigene Wege. Der sogenannte Alameda-
Korridor schließt den Hafen an das Eisenbahnnetz an und verläut als Hauptsch-
lagader vor allem zum wichtigsten Bahnhof der Stadt, zur Union Station, sowie
zum dritgrößten Frachtlughafen der Welt, dem LAX .
Und so wäre eine vollständige Karte der Stadt eigentlich ein Kubus aus durch-
scheinenden, übereinandergelegten Lagen, die überraschenderweise kaum uer-
verbindungen zueinander haben.
Es gibt Schnitmengen, aber kaum Berührungen. Viertel, die langsam ihr
Gesicht ändern. In denen zum Beispiel die Chinesen noch nicht alle weggezogen
sind, in die gleichzeitig aber mehr und mehr Latinos ziehen. Irgendwie schafen
es die beiden Ethnien, sich nicht zu begegnen, weder in den Restaurants oder Su-
permärkten noch in den Kindergärten. Es sind, und das gilt für alle diese Layers,
parallele Welten. Eigenständige Realitäten.
Die Nacht bedeckt unseren Kubus noch einmal mit einer neuen Folie. Plötzlich
kämpt man in einem unbelebten Industriegebiet um Parkplätze, weil in der Nähe
ein neuer Club seine Türen geöfnet hat. Am Tag belebte Gegenden sind nun völ-
lig ausgestorben. Bis zum nächsten Morgen. Ein Negativprint. Aus Schwarz wird
Weiß, aus Fülle wird Leere.
Der Filter der Nacht macht noch etwas anderes mit der Stadt: Es entsteht plötz-
lich eine optische Tiefe. Die Flächigkeit wird porös. Das Licht trit nicht mehr
von außen auf die Fassaden, sondern die Fenster im Inneren werden erleuchtet.
Manche Gebäude stülpen sich nachts von innen nach außen und scheinen wie
aus einem Kern heraus zu leuchten. Man sieht nun die Schönheit der Räume, die
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