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Fast ausschließlich spirituell, aber nicht weniger begeisternd sind meine Stun-
den bei Guru Singh. Er redet eine Stunde und macht dann zwanzig Minuten
Yoga, mit Schwerpunkt auf Atem und Imagination. Ganz was anderes als meine
Erlebnisse bei Ana Forrest, aber manche sagen, das sei das wahre Yoga. Ich muss
zugeben, mir fehlte der körperliche Aspekt ein wenig, aber sein Vortrag hat es in
sich. Mit der Schärfe eines Skalpells schält Guru Singh die menschliche Psyche
frei und weist mit feiner Ironie auf die rainierten Tricks unseres Egos hin,
bestimmte Aspekte NICHT zu sehen. Seine Lectures lassen sich bei iTunes übri-
gens als kostenlose Podcasts abonnieren.
Yoga für Müter, Kinder, Väter, Yoga für den Frieden, für Athleten, HIV-Positive,
Jogger. Yoga zum Abnehmen, Vokal-Yoga, Yoga für Depressive, Yoga gegen Skoli-
ose, Yoga gegen Kriegstraumata, Yoga für Surfer, Lachyoga, Gesichts-Yoga. Jede
Kombination scheint denkbar. Ich habe mal eine Yoga for Runners -Stunde be-
sucht, um zu erfahren, was das Besondere daran ist. Etwas irritiert war ich dann,
dass neben mir nur noch zwei ältere Damen auf den Beginn der Stunde warteten.
Plötzlich sprang die Tür auf, zwanzig verschwitzte, rotgesichtige Läufer füllten
den Raum und lagen wenig später immer noch japsend auf ihren Maten. Der
Schwerpunkt der Stunde lag auf der Dehnung des Musculus Gastrocnemius, der
Tibiali und der Hamstrings, der hinteren Oberschenkelmuskulatur - Yoga für
Jogger! Obwohl mir die Arbeit an diesen Muskelgruppen immer gutut, wollte
sich diesmal keine tiefe Befriedigung einstellen.
Es gibt in Los Angeles ein latent wohlwollendes Grundinteresse, eine den
Angelenos eigene große Neugier allem Neuen gegenüber. Aber die Entscheidung,
mit beharrlicher Ausdauer ausschließlich einen Weg zu gehen, scheut man. Ist
man in L. A. zu ungezwungen und zu wohlig, um eine wirklich tiefe Spiritualität
zu entwickeln? Zu bequem?
Neugierde, Aufgeschlossenheit und die Vielfalt der Möglichkeiten machen Los
Angeles zu einer spirituellen Hochburg, aber genau diese Faktoren limitieren die
Menschen auch. Alles ist wahnsinnig interessant, alles wird angeschaut, betastet
wie von neugierigen Kinderhänden. Dieses Überangebot macht fahrig, beliebig.
Man lässt schnell los, wenn der Blick vom Neuen eingefangen wird (und im
Blickefangen ist man nirgends auf der Welt so gut wie hier).
Aber auf der anderen Seite übt man auf eine sehr spielerische Weise den
Umgang mit Unbeständigkeit. Woanders muss man lange meditieren, um die Ver-
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