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Häuser sind in ihrer Substanz selten für die Ewigkeit gedacht. Fassaden aus Holz
werden mit einem Steinlook überzogen. Was die Statik angeht, werden die
Häuser nach neuesten Erkenntnissen so gebaut, dass sie Erdstöße ausbalancieren
können. Bewegte Stabilität ist dauerhater als statische, auch im Leben: Nirgends
zieht man so häuig um wie hier.
Die wenigsten üben einen Beruf aus, dem sie sich bis zur Rente widmen. Man
stellt sich etwas breiter auf und hat mehrere Berufe. Die Launen ändern sich, die
Vorlieben, Lieben. Darauf kann man sich verlassen. Das Leben ist so unberechen-
bar wie der Verkehr auf dem Freeway, und wenn etwas Unerwartetes von einem
gefordert wird, macht man eben schnell den passenden Crashkurs oder nimmt
sich einen Coach.
Ich habe eine Verabredung mit einem Sexualtherapeuten und freue mich sehr auf
dieses Wiedersehen. Ich kenne Diego Wallraf eigentlich als heaterkollegen, wir
haben in mehreren Stücken auf der Bühne des Hamburger Schauspielhauses
miteinander gespielt und auch schon zusammen gedreht. Dann ist er nach Los
Angeles gezogen, und wir sind uns nur noch sehr selten begegnet. Ich warte in
einem vegetarischen Restaurant in Santa Monica, und Diego betrit mit einer un-
glaublich frischen und unaufgesetzten Energie den Raum. Er ist glücklich, glaube
ich. Nach einer krätigen Umarmung und der Essensbestellung frage ich nach
seinem Werdegang. Was hat ihn diese ganz andere Richtung einschlagen lassen?
Das ist nicht wirklich abwegig, antwortet er. Als gelernter Schauspieler hört
man nie auf, an sich zu arbeiten, hört man nie auf, das Material zu erforschen.
Den Körper und den Geist und vor allem das Zusammenspiel von beidem. Aus
diesem Forschungsinteresse studierte Diego Yoga und Pilates. In beidem ist er
Lehrer geworden. Er öfnete mit seiner damaligen amerikanischen Frau ein Stu-
dio in Los Angeles, jobbte nebenbei im Four Seasons L. A. als Masseur und lernte,
die hungrigen Annäherungsversuche einiger Gäste elegant und humorig aus-
zutänzeln. Nicht aus Bedürtigkeit, sondern aus Liebe und Neugierde hate er
bald erste Kontakte zu Sexualtherapeuten. Er hate Glück und traf auf die zurzeit
bedeutendsten Lehrer.
Je tiefer man in die Materie eindringt, desto klarer wird, dass die sexuelle Ener-
gie eine der substanziellsten ist, die den Menschen bestimmen. Wenn diese Ener-
gie nicht frei ließt (was sie meiner Meinung nach bei den wenigsten tut), ungen-
utzt ist oder gar blockiert, sind alle anderen Wesensbereiche gestört oder können
zumindest nicht ihr volles Potenzial entfalten. Fast so, als würde man nur halb at-
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