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200 000 Menschen in diesem Bereich, und auch wenn die NASA die Space Shutles
an der Ostküste startet, geplant und entwickelt wird hier. Die Hauptstadt der
Imagination. Kopkino.
Ein anderer Erklärungsansatz für die Spiritualität der Angelenos ist der Tanz
auf dem Vulkan, die Naturkatastrophen, das ewige Damoklesschwert eines be-
vorstehenden Erdbebens. Die Stadt hat sich auf der krustigen Haut eines großen
Tieres niedergelassen, das sich irgendwann furchtbar schüteln wird. Es gibt
nicht viele vergleichbare Landstriche, auf denen eine solche Menschendichte auf
derart gefährlichem Boden lebt. Japan vielleicht. Einzigartig sind der Optimismus
und die Lebenslust in dieser Todesnähe. Ich übertreibe nicht: Die Geologen
sprechen in diesem Zusammenhang von einer Erdbebenschuld. Die Erdbeben-
häuigkeit der vergangenen Jahrtausende war sehr viel höher als in den vergan-
genen 200 Jahren. Das mag beruhigend klingen, bedeutet aber das Gegenteil. Es
gab, seit Los Angeles existiert, viel zu wenige Beben. Die Stadt liegt bekannter-
maßen an der mächtigen San-Andreas-Spalte und ist durchzogen von vielen
kleineren Verwerfungen. Jedes kleinere Beben häte die Spannungen in den tek-
tonischen Platen abgebaut, aber genau diese Beben blieben eben aus. Die Span-
nung baut sich statdessen weiter auf, man wartet auf den großen Knall. Zusätz-
lich zu dem starken Northridge-Beben im Jahr 1994 häten sich rein rechnerisch
in den vergangenen 200 Jahren siebzehn Beben mitlerer Stärke ereignen müssen.
Es gab aber nur zwei!
Nach den katastrophalen Erschüterungen in Japan im Frühjahr 2011 sagten
mir Freunde in L. A. gedämpt: Das war eigentlich unser Beben.
Man lebt mit der Angst. Verdrängt sie entweder völlig oder versteht umso
mehr, dass alles, das Leben selbst, temporär ist. Die Oberläche des Meeres wird
jäh durch einen springenden Wal durchbrochen, die Wälder können jeden Au-
genblick in Flammen aufgehen, die Berge verändern sich ständig (vor allem wenn
man nicht die letzten hundert, sondern tausend Jahre anschaut). Die ruhige
Fläche vibriert und bebt. Am Wilshire Boulevard gibt es ein tar hole , ein Loch,
aus dem stinkendes Pech austrit. Die Dinosaurier daneben sind nur steinerne
Nachfahren, aber trotzdem wird man gewahr, dass tausend Jahre keine allzu
lange Zeit sind und die Erde, auf der die Stadt steht, noch lange nicht zur Ruhe
gekommen ist. Eine Stadt der Bewegung.
Vielleicht haben die Menschen in L. A. daher einen Sinn für die Endlichkeit der
Dinge entwickelt. » Here today, gone tomorrow« , diesen Satz hört man ot. Die
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