Environmental Engineering Reference
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gebracht werden können, dass Unterschiede im pro und contra selber noch einmal als
Ausdruck gemeinsamer Kulturbezüge erkennbar gemacht werden können.
Oder anders und zugespitzter formuliert: Sowohl Befürworter innovativer Techniken
von Energie aus Nachwachsenden Rohstoffen als auch Verfechter einer Beibehaltung der
landwirtschaftlichen Produktion begrenzt auf Nahrungs- und Futtermittel berufen sich
auf zusammengehörige Traditionsstränge nicht nur westlicher, sondern z.  B. auch baye-
rischer Kultur: Technischer Fortschritt ohne Fortschreibung kultureller Überlieferungen
und Praktiken ist in einer sich wandelnden Gesellschaft an keinem Ort der Welt zu ge-
winnen. Insofern klärt eine kulturethische Begleitanalyse, wie sie im Folgenden geleistet
wird, darüber auf, dass die in der Diskussion namhaft gemachten Gegensätze nicht abso-
lut sind. Dieser Gedanke wurde z. B. in Bayern vor einigen Jahren durch den Slogan von
Bundespräsident Roman Herzog 1998 „Symbiose aus Laptop und Lederhose“ prägnant
zusammengefasst.
Die ethische Berücksichtigung derartiger letztlich gemeinsamer Wertvorstellungen, die
von den Akteuren freilich als zutiefst konfliktreich angeführt werden, empfiehlt sich auch
noch aus einem weiteren Grund, der ins Zentrum einer streitbaren, darin aber auch zum
gesellschaftlichen Frieden fähigen Gesellschaft führt: Wer den sozialen Frieden wünscht,
sollte die kulturellen Anschauungen seiner Mitmenschen und seines Umfelds nicht aus-
blenden. Für den Umgang mit den Konflikten rund um das Thema „Energie aus Biomas-
se“ heißt das: Gelingt es einem Landwirt, der sich aus legitimen Gründen der Daseins-
vorsorge für den naturschonenden Einsatz neuer (Bioenergie-)Technologien entscheidet,
seine Gesprächspartner im gesellschaftlichen Umfeld davon zu überzeugen, dass auch
dieser Einsatz auf einer Verpflichtung gegenüber kulturellen Werten beruht, so verdient
seine Argumentation vielleicht nicht die ungeteilte Anerkennung aller Gesprächspartner,
aber doch zumindest Achtung angesichts der Tatsache, dass über die Vereinbarkeit von
Fortschritt und Tradition mit guten Gründen unterschiedlich geurteilt werden darf.
Die Studie identifiziert - ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben - einflussrei-
che kulturell-historische Ideen und Wertkomplexe, welche die öffentliche Diskussion um
Energie aus Biomasse berühren und - nicht zuletzt mit Blick auf das Beispiel Bayern - Orte
maßgeblicher Stellvertreterdiskussionen für das „Ganze“ einer Landwirtschaftskultur sind.
Zu nennen sind hierbei:
• derSymbolgehaltvonKulturpflanzen,
• diegesellschaftlicheRollederLandwirtschaftalsBereitstellervonNahrungsmitteln,
• dieLandschaftalsKulturgut,
• derWertderNatürlichkeitunddie„BewahrungderSchöpfung“,
• dieVorstellungderLandwirtschaftalsIdylle,
• TechnikskepsisinderWahrnehmungderLandwirtschaft.
Die folgenden Erläuterungen und kritischen Diskussionen dieser kulturellen Aspekte ver-
mögen einen Beitrag zu einer transparenteren Debatte über Bioenergietechnologien zu
leisten.
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