Environmental Engineering Reference
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rekten Landnutzungsänderung ( Indirect Land Use Change , kurz iLUC) der Bioenergie
negativ angerechnet.
Die Nachfrage nach Ackerland kann zweifelsohne zu so genannten Landnutzungsän-
derungen führen, die sich nicht nur direkt (beispielsweise durch Umwandlung von Wei-
den oder Naturflächen in Anbauflächen; man spricht hierbei auch von dLUC-Faktoren für
Direct Land Use Change ), sondern auch indirekt (iLUC; beispielsweise durch Verdrängung
des Anbaus von Lebensmitteln durch Energiepflanzen auf andere Flächen) bemerkbar ma-
chen können. Im Kontext der Landnutzungsänderungen werden wie erläutert insbesonde-
re die iLUC-Faktoren diskutiert. Dabei ist weder sicher, ob sich indirekte Landnutzungsän-
derungen beobachten und messen lassen, noch welche von den stark variierenden iLUC-
Werten überhaupt angesetzt werden können oder sollen (Finkbeiner 2013). Die Fragen
hierbei sind von hoher Komplexität: Welche Modelle taugen, um die Klimafolgen gerader
indirekter Landnutzungsänderungen in ihrer Komplexität berechenbar zu machen? In-
wieweit kann und soll eine Berücksichtigung indirekter Landnutzungsänderungen in der
Gesetzgebung zu Biokraftstoffen stattfinden, wenn nicht einmal klar ist ob die iLUC-Wer-
te verschiedener Kraftstoffe positiv oder negativ sind (Finkbeiner 2013)? Werden Koppel-
produkte vieler Energieträger in der Bewertung berücksichtigt, wie beispielsweise eiweiß-
haltige Futtermittel, die den Sojaimport verringern können, so dass den Energieträgern
keine indirekte Landnutzungsänderung angelastet werden kann?
Das zuvor genannte Interesse an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen ist
dabei im Hinblick auf alle drei ethischen Prinzipien von Bedeutung: Die natürliche Le-
bensgrundlage ist Basis jedes menschlichen Wohlergehens, sie ist materielle Vorausset-
zung von Freiheit und Autonomie und als solche wird sie vom Prinzip der internationalen
Gerechtigkeit eingeklagt, das fordert, die Lebensmöglichkeiten und Belastungen unter al-
len Menschen gerecht zu verteilen.
Über die tatsächlichen Auswirkungen der landwirtschaftlichen Energiegewinnung in
Deutschland und Europa auf die Situation in den sogenannten „Entwicklungsländern“
wird heftig gestritten. Einerseits bedeutet der Bioenergieboom in der westlichen Welt eine
wirtschaftliche Chance für ärmere Länder. Sie könnten von steigenden Exporten von Bio-
masse in die USA und nach Europa profitieren (Widmann und Remmele 2008). Anderer-
seits sind es oftmals gerade die Kleinbauern in den Entwicklungsländern, die ihr Land an
Großunternehmen verlieren und sich gezwungen sehen, unter schlechten Bedingungen
auf den neu angelegten Plantagen zu arbeiten (Höges 2009). Es zeigt sich auch hier: Ein
generelles Urteil ist nicht möglich.
Die Reflexion möglicher Auswirkungen von landwirtschaftlichen Entscheidungen in
Deutschland auf globaler Ebene verweist auf die Ausführungen weiter oben. Sowohl in
der umweltethischen Diskussion (vgl. Kap. 4.1) wie auch in der Behandlung der Betroffe-
nengruppe „Internationale Nahrungsmittelkonsumenten“ wurde die Frage des Verantwor-
tungsbereichs des deutschen Landwirts bereits erörtert.
Es gilt auch hier: Die Zusammenhänge zwischen dem Anbau und der Verwertung von
Biomasse in Deutschland und der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlage weltweit
sind komplex und im Einzelnen schwer darzustellen. Sie verweisen primär auf den Verant-
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