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relativ junges Themenfeld der Ethik bezeichnet werden: Erst als die Zerbrechlichkeit der
Natur und der wachsende ökologische Problemdruck bewusst wurden, begann die Refle-
xion über die menschliche Verantwortung gegenüber seiner Umwelt.
Die Bemühungen um eine Begründung von normativen Orientierungen menschlichen
Handelns gegenüber der Natur führten dabei zu einem ethischen Grundlagenstreit, der -
wenn auch abgeschwächter als in früheren Jahrzehnten - noch immer im Gange ist.
Prinzipiell lassen sich umweltethische Ansätze in zwei Denkrichtungen unterteilen:
Einerseits in die Berücksichtigung der nichtmenschlichen Natur aufgrund menschlicher
Interessen an ihr (anthropozentrische Position; vom Griechischen „ anthropos “: Mensch),
andererseits in die Berücksichtigung der nichtmenschlichen Natur um ihrer selbst willen
(nicht-anthropozentrische Position): „Entweder hat die Natur keinen eigenen moralischen
Wert und ist nur für den Menschen da […], oder sie hat einen eigenen moralischen Wert,
und der Mensch muß auf sie Rücksicht um ihrer selbst willen nehmen […]“ (Krebs 1997,
S. 342).
Beiden Standpunkten ist gemein, dass der Mensch der einzige moral agent , d.  h. das
einzige zur Moral fähige Wesen und damit auch der einzige mögliche Normadressat ist.
Während die Anthropozentrik das traditionelle Ethikkonzept, welches den Menschen als
moralisches Subjekt wie Objekt in den Mittelpunkt setzt, als ausreichend ansieht, fordern
nicht-anthropozentrische Positionen ein grundsätzliches Überdenken der Reichweite der
moralischen Gemeinschaft. Im Folgenden sollen zentrale Argumente dieser beiden Posi-
tionen skizziert werden.
Anthropozentrische Umweltethiken Die anthropozentrische Position folgt der klassi-
schen Moralphilosophie, nach der nur vernunftbegabte Wesen einen Eigenwert besitzen,
der den Handelnden nötigt, eben diese Lebewesen um ihrer selbst willen moralisch zu
berücksichtigen. Der Natur kann „bloß“ ein Wert hinsichtlich ihres Nutzens für den Men-
schen zugesprochen werden. Ihr Schutz wird demnach nicht über einen eigenständigen,
sondern über ihren instrumentellen Wert begründet: „Der Mensch hat ein eigenes Inte-
resse an der Erhaltung der Natur. Er benötigt sauberes Wasser, eine intakte Ozonschicht,
den Sauerstoff, den Pflanzen erzeugen und vieles mehr. Der Schutz der Natur ist deshalb
immer auch Teil einer an menschlichen Interessen orientierten Ethik und Moral.“ (Pford-
ten 1996, S.  10). Der Nutzen, den der Mensch aus der Natur zieht, geht dabei über das
Stillen von Grundbedürfnissen hinaus: Natur ist ebenso eine wesentliche Option für ästhe-
tisches Genießen, eine Rückzugsmöglichkeit und Erholungsraum. Auch diese Interessen
an einem Erhalt der Natur fließen in anthropozentrische Umweltethiken mit ein.
In dieser Konzeption hat der Mensch nur eine indirekte Verpflichtung gegenüber der
nichtmenschlichen Umwelt. Konflikte, die sich aus dem Umgang mit der Natur ergeben,
sind demnach als zwischenmenschliche Konflikte zu verstehen.
Über zwei Jahrtausende war diese nur mittelbare Bezugnahme auf die nichtmenschli-
che Natur der bestimmende Ansatz in umweltethischen Erwägungen. Der Philosoph Hans
Jonas fasste diesen Befund mit seinem berühmten Diktum „Alle traditionelle Ethik ist
anthropozentrisch“ (Jonas 1984, S. 22) zusammen.
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