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Heimat? Wenn es diesen Ort je gab für Markaris, dann ist er hier. Ih erwähnte
bereits, dass die Istanbuler Griehen nie von »Istanbul« sprehen, von »Kon-
stantinopel« oder »Byzanz«. Sie sagen: Poli . Die Stadt. Die Eine. Shließlih war
sie Fixstern ihres Universums für mehr als eineinhalbtausend Jahre, während deren
Athen nur mehr ein vergessenes Provinznest war. Griehen waren sie, nannten sih
aber bis zum Ende Romai , Römer, shließlih waren sie die Erben des Oströmishen
Reihes. Die Poli war die Krone dieses Reihes, sie ist bis heute der Sitz des ökumen-
ishen Patriarhen, des Oberhauptes aller orthodoxen Christen. Die Türken? In den
Augen manher Istanbuler Griehen blieben sie auh nah mehr als vier Jahrhunder-
ten Besatzer. »Irgendwann wird Konstantinopel wieder unser sein.« Träumt ein pen-
sionierter Brigadegeneral. Den General hat der Romancier Petros Markaris erfunden,
den Traum niht.
Wenn Markaris selbst einmal gestrig zumute wird, dann hat ihn seine Jugend ge-
pakt, niht der Patriotismus. Er shlendert durh die Fußgängerzone, durh jenes
Viertel, das einst den griehishen Namen Pera trug und das die Türken heute Bey-
oğlu nennen. Die »Grand Rue de Pera« war einst das Herz europäishen Lebens in
Istanbul. Im revolutionären Übershwang der Zwanzigerjahre erhielt der Boulevard
den Namen İstiklal-Caddesi , Straße der Unabhängigkeit - ein Seitenhieb gegen die
europäishen Mähte, die noh wenige Jahre zuvor Istanbul besetzt haten. Das
Straßenshild wurde 1927 ausgewehselt, doh den Geist trieben die neuen Zeiten
Pera bis heute niht aus. »Sehen Sie, das Lokal hier, das hieß damals ›Degustation‹,
hier tranken die türkishen Dihter.« Jene, die Wolke und Himmel im Raki besan-
gen, jenem Anisshnaps, den die Griehen Ouzo nennen. Über die türkishe Erober-
ung von 1453 sagt Markaris, Istanbul sei damals großes Glük widerfahren: »Die
Stadt wurde von der Hauptstadt von Byzanz zur Hauptstadt der Osmanen, ohne
dass Sultan Mehmet sie angetastet häte. Die Mishkultur, die dann entstand, die
ist doh das Shöne.« Und dann wagt er eine Behauptung über die Krat der Stadt:
»Wäre Istanbul Hauptstadt geblieben nah der Republikgründung 1923 - das Shik-
sal der Türkei wäre anders verlaufen.« Hauptstadt aber wurde Ankara, Istanbul ver-
iel in einen Dornröshenshlaf, und mit Multikulti war bald Shluss. Die Griehen,
noh unter den Osmanen eine Elite, die dem Sultan Ehefrauen, Außenminister und
Gouverneure stellte, die die reihsten Bankiers und Händler des Landes hervorbra-
hte, sollten es biter zu shmeken bekommen.
Petros Markaris war niht immer Bestsellerautor. Die Krimis, die kamen erst, als
er shon ahtundfünfzig Jahre alt war. Freiheit hat er sih stets auh in der Profes-
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