Travel Reference
In-Depth Information
Erinnern
Das Leben hat Petros Markaris ein Vaterland vorenthalten. Man mag das für Peh
halten. Oder für das Gegenteil. Es ist ihm eine Freiheit der Gedanken zu eigen, die
vielen seiner Zeitgenossen und vielen seiner Landsleute abgeht, eine ironishe Distanz
zu sih selbst und überhaupt zu vielem, was den anderen identitätsstitend ist: vorn-
weg Nation und Religion. Seine Landsleute? Man nennt Markaris gemeinhin einen
Griehen. Er lebt in Athen, die Muter war Griehin. Der Vater aber war Armenier.
Erzogen wurde der junge Petros Markaris in Deutsh, der Sprahe, die der Vater, ein
Kaufmann, für die Sprahe der Zukunt hielt (»Er irrte sih gewaltig«). Und auf der
Straße sprah er Türkish. Also wird zumindest ein Stirnrunzeln ernten, wer Markaris
auf den Griehen oder den Armenier festnageln will. Einer aber stekt in ihm, den
wurde er nie los: Markaris ist noh heute mit jeder Faser Istanbuler.
Also, Petros Markaris: Krimiautor, Übersetzer von Breht und Goethe, aber auh
von gesundem Menshenverstand ins Griehishe. Urenkel eines Bankiers von Sultan
Abdülhamid II ., Enkel eines stolzen Mannes, der sih lieber vom Bankiersvater en-
terben ließ, als seine Liebe zum griehishen Dienstmädhen zu verraten. Sohn jener
Stadt, die seine Familie einst loh: Istanbul. Und noh heute, mehr als vierzig Jahre
nah seinem Weggang, ist dieser Markaris fürs Überleben in Istanbul niht shleht
ausgerüstet. Er hält die Nase in die Lut, das Organ, mit dem man dieser Stadt
ot am besten beikommt. Er weiß, wer den besten Raki ausshenkt (»Imroz«, der
Griehe am Fishmarkt, zum Beispiel), er weiß, wie man ihn trinkt (je länger man
es mit einer Flashe aushält, umso kultivierter), er weiß, welhe Verse man auf dem
Weg in den erlesenen Raush im Freundeskreise rezitiert (»Auf meinem Teller eine
Wolke, in meinem Glas der Himmel«). Und er weiß vor allem, wie man hernah den
Kater loswird: Ein Teller Kutelsuppe im Morgengrauen und ein Gläshen Turşusuyu ,
also der essigsaure Sat eingelegter Gurken, wirken Wunder. Bei ehten Istanbulern
zumindest. Festen Shrites eilt er durh die Gassen. Vorbei am Essiggurkenladen,
vorbei - langsamer nun - an dem kleinen Dessertpalast, der die Passanten mit in
Shokolade shwimmenden Proiterol lokt. Und immer die Nase vorne. »Aaah …«:
ein Ciğerci , ein Lebermetzger. Markaris lässt sih treiben, wie jeden Morgen.
Search WWH ::




Custom Search