Travel Reference
In-Depth Information
großen Tabus, etwa für den Völkermord an den Armeniern 1915 / 16 . »Wir haben eine
sehr ungesunde Beziehung zu unserer Geshihte«, sagt Murat Belge. »Im Wesent-
lihen ist die Geshihtsshreibung eine Sammlung von Lügen.« Es ist die Geshihte
einer Nation, die gleih nah ihrer Geburt nur noh Türken kennen wollte. Sie alle,
ob Kurden, Georgier, Tsherkessen, Armenier, Lazen oder Zaza wurden in dieselbe
Shablone gepresst. Der Literaturdozent und Shritsteller Murat Belge ist wohl der
bekannteste Stadtführer Istanbuls. Als er in den 1980 ern mit seinen Führungen durh
Istanbuls reihe Vergangenheit begann, sagt er, seien die Leute so interessiert wie
überrasht gewesen: »Man hate sie nie daran erinnert, also hatten die Istanbuler
vergessen, dass ihre Stadt einst das Leben so vieler Kulturen und Religionen be-
heimatete.« Das zwanzigste Jahrhundert hat der Stadt übel mitgespielt. Wenn man
die alten Shwarz-Weiß-Fotos von Ara Güler sieht, Bilder aus den 1950 ern, Bilder
einer in die Knie gezwungenen Stadt, die mit ihrer einstigen Glorie noh im Nieder-
gang die Überlebenden zu verhöhnen sheint, so hat man das Gefühl, dieses Istanbul
müsse auh den Zeitgenossen ebenso ershienen sein: shwarz-weiß, aller Farben
bar. »Man hat die Stadt für ihre Kosmopolität bestrat«, sagt Murat Belge. Manhmal
zeigt er den Gästen seiner Istanbulrundfahrt die Überreste eines Justizgebäude, das
in Flammen aufgegangen war: In diesem Land brennen Gerihtsgebäude gerne ab, so
vershwinden die Arhive.
Das Vergessen klappte also niht shleht. Mehr Probleme haten die Türken dam-
it, das so entstandene Vakuum mit einem neuen Verständnis ihrer selbst aufzufül-
len. Sie ringen bis heute damit. Wenn das Gedähtnis einmal gelösht ist, kann man
es füllen mit Märhen und mit Mythen, mit Stolz und mit Leugnung. Und so klam-
mern sie sih an Vaterland und Fahne. Auh das ist etwas, was sie von den Europäern
abgeshaut haben, allerdings ist die Türkei der Nahzügler, und so ist der Nationalis-
mus hier noh heute von einer Verve, die im Rest Europas längst erloshen ist. Wenn
die Shule beginnt, füllen die Supermärkte ihre Regale mit Heten und Stiten für die
Kinder. In unserem »Carrefour« gibt es dann ein ganzes Regal mit Buntstiten - und
ein zweites mit ausshließlih roten Stiten: für den Fahnenwald, den es jeden Tag zu
zeihnen gilt. »Wir sind die sauberste, reinste und unshuldigste Nation der Erde.«
Sagt der Justizminister. Die anderen Nationen aber: wollen alle der Türkei an den
Kragen. Was sie hier noh in der Shule lernen: »Die Türkei ist auf drei Seiten von
Meeren umgeben und auf vier Seiten von Feinden.« Oder: »Der Türke hat keinen
Freund außer dem Türken.« Vielleiht noh den Aserbeidshani, der ist ja im Grunde
seines Herzens auh Türke. Obwohl. Bevor US -Präsident Barak Obama die Türkei
Search WWH ::




Custom Search