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platz und Beşiktaş und auf der asiatishen Seite entlang der Bagdad-Straße. Aber
da hatten längst die Minibusse, meist Marke Ford, die Herrshat über die Straße
übernommen. Mit dem Autotyp änderte sih in den Siebzigerjahren der Charakter
des Dolmuş : Aus der Fahrgemeinshat der Istanbuler Mittelshiht wurde das Sam-
meltaxi der Gecekondu , der die Istanbul einkreisenden Armenvororte. Der Dolmuş
tauhte überall dort auf, wo im oiziellen Plan der Städtishen Verkehrsbetriebe noh
weiße Fleken waren: Terra incognita. Die Stadt war vom Ansturm der Anatolier
angeshwollen, die Busse überfüllt, mit einem Male standen die Leute im Dolmuş .
»Dabei war Stehen oiziell verboten«, erinnert sih der Istanbulkenner und Urbanist
Orhan Esen. »In den Augen der Bourgeoisie war das eines der Symbole für Chaos
und Anarhie, die ihre Stadt bedrohten: der stehende Passagier.«
»Got, ershafe mih erneut!«
(Liedzeile von Orhan Gencebay, Dolmuş -Spruh)
Die Dolmuş fahrer führten niht nur neue Siten ein, sie brahten auh ihre eigene
Musik mit. In den Siebzigern und Ahtzigern gab es noh keine Privatsender in der
Türkei. Der staatlihe Rundfunk TRT aber sendete tagein, tagaus westlihe Klassik
und türkishe Kunstmusik - in den Gecekondu hörte das keiner. Dort war man ver-
narrt in das Tremolo, den Weltshmerz und die Prahtshnauzer von Orhan Gence-
bay, von Ferdi Tayfur und von Ibrahim Tatlıses, den Stars der Arabeskmusik, die
sie bei TRT niht mit der Kneifzange angefasst häten. So shuf sih der Arabesk
sein eigenes Medium: das Kassetenradio im Dolmuş . Die Dolmuş -Fahrer stammten
alle selbst aus den Vororten und mahten es zu ihrer Mission, den Passagieren
die Shnurrbartshlager möglihst herzerweihend, sprih: laut, nahezubringen. Eine
Weile nannte man Arabesk deshalb auh Dolmuş - oder »Minibusmusik«, und zwis-
hen den aus Plastikperlen gestikten Nahtigallen und dem blauen Auge gegen den
bösen Blik haten niht wenige Fahrer eine Single ihres Lieblingsstars vom Rük-
spiegel baumeln (der ja überhaupt nur dazu da war, allerlei Shmuk und Talisman-
en Halt zu geben). Natürlih war es den Helden des Arabesk, allen voran Orhan
Gencebay mit seinen langen Koteleten und der shwarzen, den Kopf liehenden
Haarwelle eine Ehre, in ihren Musikilmen auh selbst Dolmuş -Fahrer zu spielen.
Ein typisher Dolmuş -Film geht so: Armer Fahrer mit Shnurrbart verliebt sih in
blonde Reihentohter mit Limousine oder alternativ in shwarzhaariges Mädhen
aus dem eigenen Viertel. Ist es eine blonde Reihe, so lieht sie vor dem Dünkel
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