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Raum. Es gab eine Zeit, da bangten die Çaycı um ihre Existenz: Die Firma Arcelik
hate einen elektrishen Teekoher erfunden. Aber der Albtraum währte nur kurz.
Der Apparat koht Tee, gut. Aber wer bringt ihn dann? Und wer maht hinterher die
Gläser sauber? Man muss sih die Çaycı als kleine gelügelte Puti am grau verhan-
genen Himmel der türkishen Beamten- und Angestelltenseelen vorstellen.
Dass ein solher Çaycı manhmal auh spitze Hörner tragen kann, musste unser
Freund Erdoğan feststellen. Erdoğan hat eine Wohnung in der Nähe des Galata-
turms, ganz oben, im sehsten Stok. Erdoğan ist gehbehindert und gewann die
Hausgemeinshat dafür, einen Aufzug in das alte Haus einzubauen. Einen
Aufzugsshaht gab es von früher. Den Aufzug gibt es auh heute, Jahre nah dem
Beshluss, noh immer niht. Weil die Besitzer entdekten, dass sih im Erdgeshoss
einer eingenistet hate: ein Zuzögling aus Anatolien, der eines Morgens im
Aufzugsshaht saß und fand, das seien nun seine zwei uadratmeter Istanbul, der
sodann seinen Teekoher anwarf, ein prähtiges Shild anbrahte, eine Deke in den
Shaht einzog und seither die Handwerker und die Touristen der Umgebung mit
Tee versorgt. Ein Shild wirbt für den Kral Çaycı - den »König der Teekoher«. Der
stolze König also beshied die Hausgemeinshat, er denke niht daran, sein Reih zu
verlassen, es sei denn, man bezahle ihm eine ordentlihe Abindung. Das eigentlih
Erstaunlihe: Keiner wagte die Revolution. Der Mann sitzt heute noh dort.
Der Teebeutel hat sih in der Türkei nie durhgesetzt. Vor allem niht jener per-
verse Triumph des Marketings über den Geshmaksnerv, der den Namen Lipton
trägt. Teebeutel der Marke Lipton Yellow Label gehören zu einem missratenen Mor-
gen wie der versehentlih eine Stunde zu früh eingehende Wekruf der Rezep-
tionistin, der Nieselregen vor der Fenstersheibe und die dunkle Brühe, die aus
dem Dushkopf rieselt. Im Frühstüksraum begegnet man ihnen für gewöhnlih
im Verein mit bombenfest vershweißten Marmeladeportiönhen und einem leki-
gen Aluminiumbottih, aus dem lauwarmes Wasser tropt: Guten Morgen, Bufet!
Die Lipton-Beutel färben das gehlorte Wasser rostbraun und den angehenden Tag
rabenshwarz. Wie gesagt, normale Türken meiden ihn. Ganz entkommen wird man
ihm aber auh in Istanbul niht. Vornehmlih in Ländern, die dem industrialisier-
ten Westen hinterhereilen, gilt der Lipton-Teebeutel ja manhen als Accessoire des
Fortshrits. Und so servieren einem in Istanbul ausgerehnet jene Cafés und Hotels,
die zeigen wollen, wie shik und westlih sie sind, auh hier die britishe Travestie
von Tee. Dieselben Cafés führen dann auh »Nescafé« auf der Karte, und da darf
man sih shon fragen, wie unsiher die Klientel hier ihrer selbst ist und wie sehr
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