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Da klät der Preuße: Käf . Wo es doh eigentlih Keyf heißt. Oder auh Keyif . Ein
betörender Sirenenruf, das weihe wiegende »eeeiiii«, aufgespannt zwishen zwei
Konsonanten wie eine einladende Hängemate. Ins Keyf lässt sih fallen, wer dem
Alltag das Leben abzuringen versteht. Da liegt man dann und shaukelt und blin-
zelt und shnurrt. Die Lexika übersetzen Keyf als: Genuss, Vergnügen, Wohlbeind-
en, Lust, Raush. Ein Istanbuler Stadtmagazin nennt es trefender den »angenehmen
Zustand entspannten Nihtstuns«. Fast könnte man es eine buddhistish-meditat-
ive Transzendenz der mühevollen Erdenfron nennen, häte der Buddhismus niht
grundsätzlih etwas gegen Genuss und Lust. Anders der Türke, der eine Sprahe
spriht, die für den Begrif Zeit kein originär türkishes Wort kennt: Beide Wörter für
Zeit, zaman und vakit , sind aus dem Arabishen importiert. Fremdwörter. Ja, auh
Keyf ist ein arabishes Wort, aber fast sheint es, als häten die Türken die Araber al-
lein deshalb unterworfen, um sih diesen Shatz anzueignen. Kein Anfang und kein
Ende, das ist Keyf . Wie der Zenshüler indet der Istanbuler die meditative Erlösung
von Sorge und Mühe in den einfahsten Tätigkeiten. Keyf ist Angeln am Bosporus,
ist eine Kartofel in der Ashe des an die Promenade mitgeshleppten Grills, ist der
Raki zum Fish, ist die plötzlihe Erinnerung an einen Dut, an Sesamkringel, an Tee,
ist das Frühstük nahmitags um vier. Keyf ist Zuspätkommen, weil man vorher
beim guten Bäker noh Bläterteig-Börek oder Kuhen kaut, ist Zuspätkommen,
weil man unbedingt den langsamen Bus nehmen muss, der an der Küste entlang-
fährt, ist Zuspätkommen, weil man erst am Nahmitag aufgestanden ist. Keyf ist
alles, was niht Arbeit und niht Zwek ist.
Das mit dem Frühstük vor allem, das kommt mir sehr entgegen. Ih brauhe viel
Shlaf. Zehn Stunden wären optimal. In meinen Jahren in China hat das dazu ge-
führt, dass ih eine ganze Welt nur vom Hörensagen kannte. Die Morgengrauen-
welt. Spätestens um halb sehs trit man sih in Peking im Park zum Tai-Chi. Oder
Bäumeumarmen. Oder Rükwärtslaufen. Wenn ih aufstand, um halb neun, hate
meine sehzigjährige Putzfrau shon ihren Tangopartner shweißnass getanzt und
meine Wohnung geputzt.
Dann zog ih nah Istanbul. Und beging gleih einen Riesenfehler. Ih rief je-
manden an, den ih interviewen wollte, und zwar um halb zehn Uhr morgens. Ja
und?, werden Sie jetzt fragen. Ganz einfah: Man rut in Istanbul niemanden vor
zehn Uhr an. Eigentlih rut man niemanden vor elf an. Zwishen zehn und elf
kann es shon sein, dass man jemanden an den Hörer bekommt, man wird dies aber
shnell bedauern. Dann zugelüsterte Dinge muss man sih nämlih noh einmal be-
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