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Republik (hier heißt er Atatürk), dessen in Marmor gemeißelte Weisheiten die Geb-
etssprühe ersetzt haben.
Holla, dahte ih: Wie in Peking.
Und dann wieder: Wolken! Ganze Türme, ein Himmel von solher Tiefe, wie ih
ihn aht Jahre lang niht mehr gesehen hate. In Peking gibt es keine Wolken. Am
Hang, unweit von unserer Wohnung, Haselnusssträuher. Im Sommer wilde Erd-
beeren am Wegesrand, im Herbst aufgeplatzte Kastanien, im Winter ein halber Meter
Shnee auf der Straße und in der Fußgängerzone geröstete Maroni. Osterzopf in der
Bäkerei. Kirhengloken am Sonntag. Sibirishe Tiefdrukgebiete, die kalten Regen
bringen. Und immer wieder: Wolken am Himmel! Ot war mir, als sei ih shon
wieder zu Hause in Deutshland, so vertraut mutete mih vieles an.
Wer von der Altstadt kommend über eine der beiden Bosporusbrüken fährt, den
empfängt am anderen Ende ein Shild: »Willkommen in Asien«. Aber dann entdekt
man, dass die Stadt in asiatishen Vierteln wie Kadıköy und Moda europäisher aus-
sieht als vielerorts auf der europäishen Seite und dass gerade die in Europa lie-
gende Altstadt jener Teil Istanbuls ist, der für viele Besuher orientalish anmutet.
Eine Warnung ist das: Diese Stadt bläst die Klishees zu Staub, und zwar so gründ-
lih, dass man einem jeden Deutshen unverzüglih eine Wohe Zwangsurlaub ver-
ordnen möhte. Aus Istanbul lässt sih niht shlau werden. Istanbul verstört. Istan-
bul beglükt. Gerade das Chaotishe, Halbfertige bringt den Ort zum Vibrieren. »Hi-
er öfnen sih deine Poren«, meint unser Freund Erdoğan: »Das ist, als ob du in den
Hamam gehst, ins Dampbad, und abgeshrubbt wirst. Danah kommst du raus, und
deine Haut atmet wieder.«
Mit dieser Stadt, sagt die Shritstellerin Perihan Mağden, sei es wie mit ihren
Straßenkötern. »Du wirfst nur einen Blik auf sie, und es ist um dih geshehen.«
Abseits des Bosporus ist Istanbul niht gestriegelt und herausgeputzt. Istanbul ist
shorig und vielerorts heruntergekommen. Einen großen Bogen möhte man da
mahen um so einen Bastard. Istanbul, der Moloh. Der Ort, der sih so lange einen
feuhten Kehriht um den Rest des Landes geshert hat, dass der Rest eines Tages
sagte: Dann kommen wir halt zu dir. Und jetzt sitzt die halbe Türkei in der Stadt
und auf der Stadt und wartet auf ihr Glük und bekommt doh ot nur ein Leben
zugedaht, so biter wie der starke türkishe Tee.
Als ih zum ersten Mal nah Beyoğlu in die Fußgängerzone ging, stand ih da mit
offenem Mund und dahte, ih sei wieder in Shanghai. Und dann las ih nah, und
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