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ihm herzlihes Beileid wünshen möhte, da strahlt er und sagt: »Ih habe den shön-
sten Bürgermeisterposten der ganzen Türkei.«
Die Klage über den Lauf der Zeit haben sie hier lange geübt. »Diejenigen, die die
Inseln kennen, wie sie noh vor fünfzehn Jahren waren, werden heute vergeblih
die friedlihe Stille und Einsamkeit suhen, die sie hier jedes Jahr fanden auf ihrer
Fluht vor dem Lärm und dem Tumult der Stadt.« Das shrieb einer 1862 . Bis heute
ist » Bozuldu. Çok bozuldu! « ein Seufzer, der einen hier auf Shrit und Trit verfol-
gt: »Alles geht den Bah runter …« Der Buhhändler zum Beispiel: »Früher trugen
alle Krawate, wenn eine Fähre ankam.« Und heute? »Bohrt sogar der Zahnarzt mit
der Zigarete im Mundwinkel.« Der Gastwirt: »Früher tummelten sih hundertvier-
unddreißig Fisharten vor den Küsten. Jetzt sind es keine zwanzig mehr.« Die Mu-
seumskuratorin: »Früher haben die Inseln Blumen und Obst in die Stadt geliefert,
heute muss die Stadt die Inseln versorgen.« Und so geht das fort: viele alte Häuser
abgerissen, öfentlihe Strände, die seit Neuestem Eintrit verlangen. Die häuigste
Klage aber ist die über die Zuwanderer aus Anatolien, und darin sind die Inseln
ein Spiegel der Stadt. Der Sportclubdirektor: »Früher lebten hier Handwerker und
Künstler und die feinen griehishen Herren, von denen wir gelernt haben, wie man
gute Geshäte maht, ein guter Mensh ist und ein guter Rakitrinker wird.« Heute
hingegen die Anatolier: »Wir versuhen ja, sie zu erziehen: Red niht so laut. Fluh
niht. Spuk niht. Aber heute sind wir die Minderheit.«
Am eindrüklihsten singt dieses Lied Ahmet Tanrıverdi, der Wirt und Autor.
Er trägt am Shopf einen langen weißen Zopf und im Gesiht die Verahtung für
»die aus dem Osten«. Fıstık Ahmet , Pistazien-Ahmet, wie sie ihn hier seiner grün-
en Augen wegen nennen, ist Lokalprominenz, er hat mehrere Bühlein über die In-
seln geshrieben. »Früher«, hebt Ahmet also an, »früher waren hier sogar die Pferde
edler.« Die Pferde? »Wie waren die geplegt und gestriegelt damals …« Die Pferde
also: »Heute stinken alle, Die Tiere, der Kutsher und die Gäste.« Ahmet Tanrıverdis
Vater kam übrigens selbst aus dem Osten. Er traf 1944 auf der Insel ein, ing hier als
Bakkal an, als Krämer. »Und er trug immer Krawate.« Ahmet Tanrıverdi sitzt in
seinem Restaurant an der Uferpromendade, trägt T-Shirt, kurze Hosen und Shlap-
pen und klopt ab und an einer Rihtung heke vorbeilaufenden Bikinishönheit auf
den halbnakten Hintern. Er seufzt, lehnt sih zurük. »Sehen Sie sih die Leute an«,
sagt er und deutet auf die vorüberlanierenden Touristen: leiht bekleidete Badende,
Familien aus den asiatishen Vororten Istanbuls, tief vershleierte Araberinnen. »Ein
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