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in »Şalom« in Ladino geshrieben. Heute ist es noh eine Seite von aht. Ladino
stirbt. Keiner wüsste das besser als Karen Gerson Şarhon. Die Linguistin hat ihre Ab-
shlussarbeit über den Niedergang des Ladino geshrieben, sie betreut die Ladino-
seite in »Şalom«, sie zukt mit den Shultern: »Die Zeiten ändern sih.« Als sie jung
war, hat sie sih mit Freunden in heaterstüken lustig gemaht über ihre Ladino
sprehenden Eltern. Heute betreut sie das Istanbuler Zentrum für Sephardishe Kul-
turstudien und trit mit Ladinoliedern auf. Şarhon singt. Şarhon gehört zur letzten
Generation, die noh Ladino spriht. Wer liest ihre Seite noh? »Alle über fünfzig.«
Die resolute Şarhon sieht das unsentimental: Man habe die Sprahe in den letzten
Jahren gut erforsht, sie quasi fürs Museum präpariert, nun möge sie in Frieden
ruhen. Shuld trügen ohnehin die Alten, meint Şarhon: »Sie sind immer ins Fran-
zösishe oder später ins Türkishe ausgewihen. Ladino war ihnen niht intellektuell
genug. ›Das ist keine Sprahe, das ist ein Salat‹, hat meine Muter immer gesagt.«
Mario Levi sagt, seine Heimat sei keine Stadt und kein Land, seine Heimat sei die
türkishe Sprahe. Am Wohenende geht er ins Fußballstadion, zu Fenerbahçe. Es ist
der Lieblingsverein der Generäle. Es war auh der Lieblingsverein von Levis Vater.
Im Radio hat er eine Sendung. Am liebsten spriht er über das, was er am liebsten
maht: Kohen und Essen. Zuletzt war der Lüfer dran, der Blaubarsh. »Was Istan-
bul angeht«, sagt er mit einem Gakern, »da bin ih Chauvinist: Nirgends shmeken
die Fishe so gut wie aus dem Bosporus.« Manhmal geht er abends an die Küste
und blikt hinüber nah Europa, wo die Abendsonne Paläste und Mosheen erglühen
lässt. Natürlih, sagt er, liege da drüben, auf der anderen Seite, der shönere Teil der
Stadt. »Aber nur uns hier ist es vergönnt, diese Shönheit abends im Sonnenunter-
gang zu sehen.«
Diese Stadt, dieses Land, sie verlangen manhmal viel von einem. 2007 brahte
eine Bande türkisher Nationalisten Levis Freund, den armenish-türkishen Journ-
alisten Hrant Dink um, auf ofener Straße, miten in Istanbul. Hrant Dink hate für
Versöhnung zwishen Türken und Armeniern geworben, dabei so manhes Tabu
gebrohen. Genikshuss. Die Dinge, sagt Mario Levi, sie laufen niht immer so, wie
er sie gerne häte. »Aber ih bin optimistish«, sagt er dann. »Ih will optimistish
sein.«
Pause.
»Ih sollte optimistish sein.«
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