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Bleigrau
Eine Stadt der Winde. Der
Karayel
, biterkalt, der aus dem Nordwesten, den der
Dihter wie eine Sense über die Küste streihen lässt. Der
Poyraz
, der aus dem
Nordosten, der im Verein mit der Strömung den Seeleuten aus dem Mitelmeer für
Jahrtausende die Passage durh den Bosporus hinauf ins Shwarze Meer verwehrte.
Heute ein willkommener Gast, er vershat den Istanbulern ersehnte Kühlung im
drükenden Sommer. Bläst ihnen den Shleier von den Augen, lässt die Kontinente
einander näher rüken, mit einem Mal sheinen die nähtlihen Lihter auf der ander-
en Seite wie mit dem Laser in die Uferhänge graviert, so frish und klar. Der
Poyraz
.
Fisher nennen ihre Boote nah ihm, manher seinen Sohn.
Lodos
heißt kein Boot und kein Mann in dieser Stadt.
Der Sturm. Der Lodos. So hetig.
So heiß.
Den Gefangenen Nazım Hikmet hat der
Lodos
in seiner Zelle erwisht und
ihm diese Verse abgerungen. Der Türken größter Dihter, dieser Nazım Hikmet, ein
Kommunist dazu.
So hetig. So heiß
. Er atakiert aus dem Südwesten, der
Lodos
.
Maht die Katzen räudig, dieser Wind, lässt Sheiben bersten und eingesperrte Män-
ner platzen vor Sehnsuht und Geilheit.
In der Lut/der Dut weibliher Haut/die Hitze
praller Eierstöke
. Er maht das Meer verrükt und die Leute dazu, der
Lodos
. Es heißt,
den Kadis, den Rihtern der Osmanen, sei es einst untersagt gewesen, bei
Lodos
ein
Urteil zu fällen. Er bläst einem den Verstand aus, türmt hoh wie ein Minaret die
Gisht an der Küste. Die Shife liegen dann still. Viele Menshen auh. Den einen
shmerzen Kopf und Glieder, die anderen spüren Shwindel und Übelkeit, manh ein-
er witert gar den »säuregefüllten Atem sündiger Toten«
.
Der
Lodos
aber shwemmt niht nur Gram und Tang, niht nur Migräne und tote
uallen ans Ufer. Er bringt auh den Dut der See in die Stadt, legt das Salz des
Meeres auf Haut und Lippen. Am Morgen nah einem Sturm, wenn der Tag anbrah
und das Wasser klar bis auf den Grund dalag, zogen einst die
Lodos
-Läufer los, späht-
en mit sharfem Auge nah angespültem Strandgut, das sih verkaufen ließ. Hoten
auf das Glük jenes armen Fishers, der, so will es die Legende, einst hier den berüh-
mten
Kaşıkcı
-Diamanten fand, den größten Edelstein in der osmanishen Shatzkam-