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Pavel Vacek hat in Mladá Boleslav fünf Jahre lang die Aggregatefertigung geleitet, also die
Herstellung von Motoren, Getrieben oder Achsen. In einer neuen Halle von dreihundertsiebzig
Metern Länge und zweihundertvierzig Metern Breite, deren Boden so weiß und reinlich ist,
dass man davon essen könnte, arbeiten in drei Schichten mehr als dreitausend Männer und
Frauen, qualiizierte Facharbeiter wie angelernte Montagewerker, sie tragen hellgraue Arbeitsan-
züge mit grünen Streifen. An ihren Automatenständen nehmen sie vom Nachbarn Kurbelwellen
oderZylinderkurbelgehäuseentgegen,diesichaufderFertigungslinievoranbewegen.Jederken-
ntseineHandgriffe,erledigtseinenTeilohneHast,gibtSignalundübergibtandenNächsten.Wie
im Sportstadion zeigen digitale Tafeln den Stand der Dinge an, wie überall im Werk auf Tschech-
isch und Deutsch.
Ein Ächzen, Stampfen, Rollen, Rattern, Klopfen, Klappern, Zischen erfüllt den Raum, der
größer ist als ein Bahnhof. Es heult in den Höhen, Greifer, Pressen, Stanzen vollführen
vorgegebene Bewegungen, Gabelstapler durchgleiten den Raum. Bunt leuchten die Automaten-
stände, und in einer verglasten Kammer am Ende der Montagelinie, nach einundfünfzig Station-
en, schwenkt ruckhaft ein Roboterarm eine Kamera in verschiedenste Positionen, von denen aus
in siebenundzwanzig Sekunden jeder Motor auf korrekte Fertigung kontrolliert wird. Schließt
mandieAugen,mankönntesichineinemlärmendenUrwaldausMaschinenundMetallwähnen.
Natürlich ist dies neuester Stand der Technik, und natürlich war dies vor der Wende anders.
Der Ingenieur Pavel Vacek, der vor mehr als fünfundzwanzig Jahren ins Unternehmen eintrat,
lernte zwar 1986 als junger Mann schon Roboter und Computer kennen, schon damals hatte
Škoda technisch ein höheres Niveau als andere Staatsbetriebe. Aber im alten Aggregatewerk be-
deckten Öl und Späne den Boden, man schuftete hart, es ging um Stückzahlen; Ausschuss und
Qualität spielten keine so große Rolle. Ein Qualitätsregelkreis, »das war damals eine unbekan-
nteSache«,sagtPavelVacek.UndüberhauptbedeuteteesbeimgroßenUmschwungfüralleMit-
arbeiter»dengrößtenSchritt«,wieVacekfortfährt,»dasThemaQualitätvonderKundenzufried-
enheit her zu verstehen«.
DerUmschwungfandam28.März1991statt.AndiesemTagunterzeichnetenMinisterpräsid-
ent Petr Pithart, Regierungschef der tschechischen Teilrepublik im tschechoslowakischen Staat,
und VW -Chef Carl Hahn den Vertrag über die gemeinsame Aktiengesellschaft Škoda, automo-
bilováakciováspolečnostunddenEinstiegdesVolkswagen-KonzernsmiteinemAnteilvonzun-
ächst einunddreißig Prozent, 2000 wurde er auf hundert Prozent erhöht. Auch BMW und Gen-
eral Motors hatten mitgeboten, am Ende wurde es ein Zweikampf zwischen VW und Renault,
und dass die Deutschen den Zuschlag erhielten, bereitete vielen Tschechen durchaus Verdruss.
Ausgerechnet der große Nachbar, der 1939 das Land mit Mord und Krieg überzogen hatte, sollte
eine der Renommierirmen bekommen?
Die Deutschen ließen, als sie den Zuschlag hatten, erst einmal die Werkshallen säubern und
fegen und fuhren auf Lastwagen tonnenweise Schrott und Müll ab. Den leitenden Managern
stellten sie je einen Experten aus dem VW -Konzern zur Seite, und bis heute sind an die fünfzig
Deutsche im Management vertreten. Dem siebenköpigen Vorstand gehört nur ein einziger
Tscheche an, die anderen sind Deutsche.
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