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sollen genau doppelt so viele Autos wie 2010 von den Bändern laufen, also eineinhalb Millionen.
Den Rang als Tschechiens umsatzstärkstes Unternehmen und größter Exporteur wird also so
rasch wohl niemand der Firma aus Mladá Boleslav streitig machen.
Für Škoda ist es ein historischer Höhenlug, der aus kleinen Anfängen kam. Am 18. Januar
1905erteiltendietschechischenBehördenjenemFahrzeugvomTypVoiturettedieZulassung,das
der introvertierte Tüftler Václav Laurin und der geschäftstüchtige Buchhändler Václav Klement
im Monat zuvor fertiggestellt hatten. Im April 1906 wurde die Voiturette auf der Prager Auto-
mobilausstellung erstmals präsentiert, nach Daimler, Benz, Renault, Peugeot, Ford und Fiat trat
damit eine weitere europäische Automobilirma auf den Plan, zeitgleich mit Rolls-Royce.
Im Werksmuseum kann man die Unternehmensgeschichte im Schlenderschritt durchmessen.
EswürdigtLaurin&Klementnatürlichersteinmal,wirsindimJahr1895,alsHerstellerdesFahr-
rads Marke Slavia und des »besten Motorzweirads der Welt«. Nicht nur prachtvoll aufgeputzte
Oldtimer geben dem Rundgang ihren Reiz, sondern auch die Einsicht, wie stark sich die Landes-
geschichte in der Firmenhistorie spiegelt. Da ist die junge, unabhängige Tschechoslowakei mit
ihrem Präsidenten Tomáš G. Masaryk, fotograiert vor der Luxuskarosse Hispano-Suiza, einem
Lizenzprodukt - damals, 1925, fusionierte Laurin & Klement mit den Pilsner Werken des Emil
Ritter von Škoda, die Maschinen und Loks herstellten und fortan auch den Autos ihren Namen
aufdrückten.
Die Naziherrschaft indet sich skurrilerweise wieder in einem Kinderauto Marke Puck, das
ein NS -Kommandeurbestellte.ZudemschafftendieDeutschendenLinksverkehrab,wasdieVer-
legung der Škoda-Lenkräder erforderte, und gliederten die Fabrik den Reichswerken Hermann
Göring ein. Sie musste Kübelwagen für die Wehrmacht bauen. Ein Foto, das im Hausarchiv ver-
wahrt wird, zeigt Adolf Hitler und Joseph Goebbels mit Škoda-Generaldirektor Karel Hrdlička
bei der Automobilausstellung 1936 in Berlin vor einem Škoda Popular.
Zu Zeiten des Kommunismus stellte der Volkseigene Betrieb Škoda hundert gepanzerte
Protzkarossen Marke VOS mit Weißwandreifen her, denen die Parteibonzen Stander auf die
geblähten Kotlügel planzten. Auch Mao Zedong hat ein solches Auto gefahren. Fürs Volk gab's
jene proletarisch-kleinbürgerlichen Pkws, denen notorisch der Vergaser oder der Drahtzug des
Gaspedalsversagte-einebittersüßeErinnerung,derdieslowakischeZeitschrift Týždeň 2005zum
hundertjährigenJubiläumRechnungtrugmiteinemFoto,daseinEhepaarbeimSonntagsauslug
zeigte: der Škoda am Straßenrand, unter aufgeklappter Kühlerhaube hantiert der Mann, die Frau
schautgefasstindieWiese.EswardieZeitderŠkoda-Witze:WiekannmandenWerteinesŠkoda
verdoppeln? Indem man den Tank mit Benzin befüllt. Oder der: Warum hat der Škoda beheizte
Heckscheiben? Damit man beim Schieben nicht friert.
Esistnichteinfachzuermitteln,wievieleModelleseit1905dieWerkshalleninMladáBoleslav
verlassen haben. Alleine im Museum und dem angeschlossenen Depot werden zweihundert-
siebzehn Musterexemplare aufbewahrt, Leichenwagen, Busse, Feuerwehr- und Rotkreuzautos
eingeschlossen.WersiebestauntunddiebrutalenBrüchedesvergangenenJahrhundertsbedenkt,
magleichtdemIngenieurPavelVacekzustimmen,dereseinregelrechtesWundernennt,dassdie
Firma die Veränderungen überhaupt überstanden hat - »und heute sogar davon proitiert«.
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