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Die Legende
vom Eisernen Wolf
Jagdpfeilen nach dem Wolf. Doch die Pfeile
prallten klirrend von dem unheimlichen Tier
ab und fielen zu Boden, ohne es zu verletz-
ten, denn sein Körper bestand aus hartem
Eisen.
Tief beeindruckt erwachte der Fürst und
befahl, sofort den Opferpriester Lizdeika zu
rufen, um seinen Traum zu deuten. Der alte
Lizdeika dachte lange nach und sprach
schließlich: „Großer Fürst! In dem Traume
wollen die Götter dir ihren Willen verkün-
den. Der eiserne Wolf bedeutet die Burg,
die du auf diesem Berg errichten sollst. Sie
wird ebenso unbezwingbar sein wie dieser
eiserne Wolf. In ihrem Schutz wird eine Stadt
entstehen, die so prachtvoll und reich sein
wird, dass ihr Ruhm in die ganze Welt hinaus
erschallt, so wie das alles durchdringende
Heulen des eisernen Wolfes.“
Er befolgte die Worte des Priesters, denn
was gäbe es Wünschenswerteres für einen
Fürsten als eine uneinnehmbare Burg, zu de-
ren Füßen eine reiche Stadt entsteht? So be-
fahl er im Jahre 1323, auf dem Hügel (den
heutigen Burgberg) eine Festung zu er-
richten, und begründete damit die heutige
Hauptstadt.
In einer litauischen Chronik aus dem 16. Jh.
findet sich die Gründungslegende von
Vilnius. Dort, wo heute die stolze Haupt-
stadt steht, lagen Anfang des 14. Jh. un-
durchdringliche Wälder. Hier ging Großfürst
Gediminas, der zu jener Zeit in der Burg Tra-
kai lebte, mit seinem Gefolge gern zur Jagd
auf Bären, Wölfe und mächtige Auerochsen,
von denen er eines Tages auf dem heutigen
Tauro- (Auerochs-) Berg einen erlegte.
Abends, als es zu spät geworden war, um
nach Trakai zurückzukehren, schlug er im
Šventaragis-Tal (dem heutigen Kathedralen-
platz) sein Lager auf.
Als er sich in seinem Zelt zum Schlafen
legte, hatte er einen seltsamen Traum. Auf
dem höchsten Punkt des Berges an der Vil-
nia-Mündung stand ein riesenhafter Wolf
und heulte zum Nachthimmel empor, so laut
wie hundert Wölfe zusammen. Das schau-
rige Heulen drang dem Fürsten durch Mark
und Bein. Von Angst ergriffen, packte er sei-
nen Bogen und schoss mit den schweren
Tatsächlich war die Gegend an der
Einmündung der Vilnia in die Neris be-
reits in vorgeschichtlicher Zeit besie-
delt; die mehr als 7 m tiefe Kultur-
schicht am Fuß des Gediminas-Hügels
reicht bis ins 4. Jahrtausend v. Chr.
zurück. Aus mehreren kleineren Sied-
lungen ging dann im 7. Jh. n. Chr. eine
Stadt hervor, die sich vom 9.-13. Jh. als
Handelszentrum entwickelte. Vom
10.-13. Jh. stand auf dem Gediminas-
hügel eine Holzburg, 1251 ließ König
Mindaugasan der Stelle der heutigen
Kathedrale eine Kirche erbauen.
Erstmals schriftlich erwähnt wurde
Vilnius, hier prallen Legende und his-
torische Überlieferung aufeinander,
durch die berühmte Botschaft des
Gediminas aus dem Jahre 1323, mit
der sich der Großfürst an die Hanse-
städte, viele europäische Fürsten und
sogar an den Papst wandte. Um seine
„neugegründete“ Hauptstadt aufzu-
bauen, rief er Siedler, Kaufleute, Hand-
werker und Baumeister nach Vilnius
und versprach ihnen Land und allerlei
Vergünstigungen. Das litauische Hei-
dentum war damals überaus tolerant.
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