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europaweite Verbot des Jesuitenor-
dens (bereits 1773) und einer Bil-
dungsreform gelangten auch die
Wissenschaften zu neuer Blüte. Die
Lage der leibeigenen Bauern verbes-
serte sich aber nicht. 1799 wurde die
russisch-orthodoxe Kirche zur offiziel-
len Glaubensrichtung des Landes er-
klärt, katholische Kirchen wurden in
russisch-orthodoxe umgewandelt,
Klöster wurden geschlossen oder fun-
gierten als Militärbaracken (erst um
1915 erlangte die katholische Kirche
ihren Status zurück).
1812 zog Napoleon auf seinem
Marsch nach Moskau mit 600.000
Mann durch Litauen. Wenige Monate
später kehrte er mit seinen geschlage-
nen Truppen (nur noch 40.000 Mann)
zurück. Insgesamt 80.000 seiner Sol-
daten fanden in Litauen ihre letzte Ru-
hestätte.
Die Lasten des Wiederaufbaus, For-
derungen nach Abschaffung der
Leibeigenschaft und Unabhängig-
keitsbestrebungen führten zu Auf-
ständen gegen die Zarenherrschaft
(1825 und 1831), die aber niederge-
schlagen wurden. Unterdrückung und
Russifizierung verstärkten sich dar-
aufhin. 1832 wurde die Universität
von Vilnius geschlossen.
Die Aufhebung der Leibeigen-
schaft 1861 beschleunigte die Ent-
wicklung kapitalistischer Verhältnisse.
Wer Land besaß, gelangte zu Wohl-
stand; die landlosen Bauern jedoch
verarmten zunehmend, wanderten in
die Städte ab und bildeten dort ein
Heer von Arbeitslosen. Viele von ih-
nen emigrierten daraufhin in die USA
sowie nach Argentinien, Brasilien und
Australien. Diese Umstände und auch
o.a. Gründe führten 1863 zu einem er-
neuten Aufstand, der wiederum er-
folglos war, der aber als „Erwachen
der litauischen Nation“ bezeichnet
werden kann. Viele, darunter ein gro-
ßer Teil der Intelligenzschicht, wurden
getötet oder nach Sibirien deportiert.
Ziel war nicht nur die Zerschlagung ei-
ner Nation und deren Führungs-
schicht, sondern auch der Bedarf an
billigen Arbeitskräften in Sibirien. Au-
ßerdem wurden auch viele russische
Beamten und Militärs mit dem Ziel der
totalen Kolonisation angesiedelt, das
ihnen dann durch das Fehlen der Intel-
ligenzschicht leicht gemacht wurde.
Andererseits konnte sich Vilnius zu ei-
nem Zentrum jüdischer Kultur ent-
wickeln (s. Exkurs „Jerusalem des Nor-
dens“). 1864-1904 waren litauische
Druckerzeugnisse verboten. In dem
unter deutscher Herrschaft stehenden
Klein-Litauen (Memelland) und im Kö-
nigsberger Gebiet wurden indessen
viele litauische Bücher gedruckt und
ins russisch beherrschte Litauen einge-
schleust. Litauisch wurde zum Dia-
lekt erklärt und deren öffentlicher Ge-
brauch untersagt.
In der zweiten Hälfte des 19. Jh. fan-
den nationale Befreiungsbewegun-
gen wachsenden Zulauf, verbunden
mit dem Ziel, die litauische Tradition,
Kultur, Religion und Sprache wieder
aufleben zu lassen. Ihre bekanntesten
Führer waren:
der Arzt Jonas Basanavi¤ius (1851-
1927), Mitherausgeber der ab 1883 in
Tilsit erschienenen ersten litauischen
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